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Gemeinschafts-Dachgärten

Gärten auf Dächern bzw. auf Gemeinschaftsterrassen ermöglichen Selbstversorgung, Hitzereduktion, Niederschlagsnutzung und bringen Natur in die Stadt.

Sie haben vor allem in urbanen Räumen wichtige Funktionen. Zum einen können in sehr verdichteten Stadtteilen Freiräume wohnungsnah verfügbar gemacht werden, zum anderen können diese auch zu einer tlw. Selbstversorgung beitragen (Germain, A. et al 2008). Eine Begrünung der Dächer kann weiters effektiv Hitzeinseln in der Stadt reduzieren, Luft filtern und Niederschläge auffangen bzw. den Abfluss verlangsamen (Vali, N. 2011). Allein in Wien beträgt die Summe aller Dachflächen um die 5.420 ha. Die Dachflächen mit 0-5 Grad Neigung (die sich somit für Begrünungen eignen) liegen bei ca. 1.070 ha (Vali,N. 2011). Aufgrund statischer Voraussetzungen und oftmals ungesicherter Zugänge zum Dach ist das derzeitige Potential für produktive, gemeinschaftlich genutzte Dachgärten wohl wesentlich geringer. 

Im Bereich von Neubauten und Umbauten scheint es somit die größten Möglichkeiten zu geben, Dachflächen und Terrassen gärtnerisch nutzbar zu machen. Gesetzliche Rahmenbedingungen (wie z.B. in Toronto, Kopenhagen, Zürich und Tokio) und Fördermaßnahmen (wie z.B. in Baltimore, Chicago, Washington,..) könnten hier zu einer verstärkten Nutzung von Dachflächen als Erholungs-und Lebensraum für Mensch und Tier und zu einer Ökologisierung (vor allem) der Stadt beitragen. Zugänglichkeit, Absturzsicherung und Statik stellen die größten Herausforderungen dar. Die Begrünung reicht von kompletten Dachbegrünungen mit tiefem Bodenaufbau, die auch die Anpflanzung von Bäumen ermöglicht, bis hin zur Errichtung von Leichtbau-Hochbeeten um die Statik zu gewährleisten.

In vielen  Projekten spielt die Förderung der Biodiversität und die Vermittlung von gärtnerischem und ökologischem Wissen eine große Rolle. Oftmals werden aktiv Lebensräume für Tiere geschaffen und die Verwendung von Saatgut mit hoher Diversität forciert. Auch extensiv gepflegte Flächen wie naturnahe Wiesen erhöhen die Biodiversität. Im Verbund mit anderen Balkonen und Terrassen können sie so ein Netzwerk von Lebensräumen in der Stadt bieten. Weitere Aspekte sind die regionale Lebensmittelproduktion, die Schließung von Kreisläufen bspw. durch Kompostierung am Dach und der Beitrag zur Reduktion städtischer Hitzeinseln. Die CO2-Bilanz von am Dach angebauten Gemüse ist durch die Herstellung und Lieferung von Substrat im Vergleich zu im gewachsenen Boden angebauten Gemüse relativ hoch. Als Ertrag wurden durchschnittlich 3,5 kg Gemüse pro m² errechnet (Fibl et al., 2021). Gemeinschaftlich genutzte Dachgärten erinnern in der Organisation an Gemeinschaftsgärten. Wie bei Gemeinschaftsgärten gibt es hier unterschiedliche Organisationsmöglichkeiten über zb. Vereine (Gartenwerkstadt), Arbeitsgruppen (Sargfabrik) oder eine lose Zusammenarbeit (Autofreie Mustersiedlung). Aber auch komplexere Bewirtschaftungs- und Organisationsformen sind möglich (CSA-Östergro). Die Nutzung kann durch die Bewohner*innen des Hauses oder auch durch hausfremde Personen erfolgen. 

Abhängig von der Ausgangssituation zählen Dachgärten zu den kostenintensivsten Projekten. Bei Neubauprojekten muss die Nutzung bei der Berechnung der Statik berücksichtigt werden und Zugangsmöglichkeiten eingeplant werden, bei bestehenden Projekten Adaptionen um Projekte umzusetzen. Bei der Errichtung von gemeinschaftlich genutzten Dachgärten gilt es, sowohl die vorgegebenen Richtlinien der Eigentümer*innen bzw. generelle rechtliche/bauliche Aspekte (Statik) einzuhalten als auch darüber mit Eigentümer*innen und Stadtverwaltungen in Verhandlung zu treten.

Beispiel 1 – Gartenwerkstadt (Wien / Ö)

Bild: Gartenwerkstadt (facebook)
 

Kontakt: https://www.facebook.com/gartenwerkstadtmariahilf/ 
Läuft seit: 2017

Kurzbeschreibung: Auf einem Dach einer Parkgarage in dem dicht verbauten Bezirk Mariahilf in Wien wird seit 2017 ein Gemeinschaftsgarten betrieben. Für den Dachgarten musste ein Leichtbaukonzept entwickelt werden da das Dach nicht für schwere Lasten ausgelegt ist.

Entstehungsgeschichte:  Michael Graner hatte den Wunsch in seinem urbanen Wohnumfeld selbst Gemüse anzubauen. Bis zur tatsächlichen gärtnerischen Nutzung eines Parkhaus-Daches gegenüber seiner Wohnung brauchte er jedoch einen langen Atem bei den mehrjährigen Verhandlungen mit Behörden und Eigentümer*innen. Mit Unterstützung der Grünen Partei und der Umweltstadträtin Sima wurde schließlich erreicht, dass die MA 42 ein Budget über 20.000€ für den Umbau beschloss, da die Stadt Wien Miteigentümerin des Gebäudes ist (WiPark). Es gab zusätzlich einige rechtliche Hürden, die aber lösbar waren. Pächter der Dachfläche wurde der Verein ‚Operation Grüner Daumen’, der noch andere Gartenprojekte in Wien betreibt und nach einigen baulichen Maßnahmen konnte der Garten aufgebaut werden. Nächste geplante Schritte sind die Errichtung einer Photovoltaikanlage, einer Outdoorküche und der Aufbau eines Sozialmarkts im Bezirk.

 Zielsetzungen: Urbane Selbstversorgung, Biodiversität, Belebung der Stadtökologie, Jungpflanzen ziehen, tlw. Saatgutvermehrung

Ort & Raum
Die Gesamtfläche des Dachs beträgt ca. 2000 m², davon können ca. 300 m² als Anbaufläche genutzt werden. Am Dachgarten finden sich folgende Elemente: Hochbeete in Leichtbauweise (aus gebogenem Stahlgitter und Teichfolienverkleidung), 2 Gewächshäuser (Folientunnel), Wasseranschluss, Wurmkompostierungskisten, Abstellkammer (eine Etage tiefer), Bienenstöcke und ein Wegenetz aus Holzdielen.

Soziales
Das Projekt ist als Verein organisiert. Beteiligt sind 45 Personen, 10 weitere befinden sich auf der Warteliste. Es gibt regelmäßige Treffen, kommuniziert wird über das Online-Tool SLACK – es findet ein starker Austausch der Gärtner*innen statt. Der Gemeinschaftsbereich (ca. 40 m²) mit der Grillmöglichkeit unterstützt die soziale Begegnung. Der Garten wird über verschieden Teams organisiert (Bauen/ Anbauplanung/ Gießgruppe/ Düngegruppe/ Kompostgruppe). Der Zeitaufwand für die Mitglieder beträgt ca. 1h / Woche. Neue Mitglieder werden über ein Buddy-System im Garten integriert. Weiters gibt es Infotafeln damit man weiß, was wo gepflanzt wurde. Die Gartenwerkstadt ist auch an weiteren Projekten beteiligt:

  • Gemüsekistl – Aus dem Partnerprojekt ‚Kleine Stadtfarm’ am Stadtrand werden Gemüsekistln in den 6.Bezirk gebracht und können dort abgeholt werden
  • Kooperation mit einem Obdachlosenprojekt – Frühstück im Park
  • Unterstützung beim Gießen der Wanderallee (Agendaprojekt)
  • Kooperation mit einem Kurs des Ökosozialen Forums, dem ‚Low Energy Lotsen’, in dessen Rahmen Kurseinheiten im Dachgarten stattfinden.

Anbau und Ökologie
Am Dach werden diverse Gemüse und Obstkulturen (z.B.: Stachelbeere, Himbeere, Erdbeere, Jostabeere, Aronia, Apfel) angebaut. Es wird biologisches Saatgut verwendet, viel in Mischkultur angebaut. Durch den Anbau von Vielfaltsgemüse findet eine Förderung der Biodiversität statt. Gedüngt wird mit selbstgemachter Brennesseljauche und Wurmkompost. Zur Förderung von Insekten werden essbare Früh-und Spät-Blühpflanzen angebaut 

Ökonomisches
Der Mitgliedsbeitrag hier beläuft sich auf 180€/Jahr. Mitglieder mit Kulturpass bekommen 10% Ermäßigung. Jährlich fallen Mietkosten von 3500€ an. Die Finanzierung des Dachgartens wurde zur Hälfte vom Garten und zur anderen Hälfte von der Stadt Wien finanziert. Für das Statikergutachten gab es einen Vorschuss von der Stadt Wien. Der Ernteertrag trägt zur Selbstversorgung bei, dessen Anteil ist aber schwierig abzuschätzen. Die Einsparung beim Gemüsekauf wird auf ca. 400€ geschätzt.

Rechtliches
Bei den Vertragsverhandlungen gab es bzgl. der Nutzung und Weitergabe der Beete Herausforderungen zu lösen. Während die Stadt Wien das Projekt nur unterstützen wollte wenn es öffentlich zugänglich ist, wollte die WIPARK das Dach nur vermieten, wenn es nicht öffentlich zugänglich ist. Weiters war ursprünglich eine Weitergabe der Nutzungsrechte nicht erlaubt – was der Nutzung als Gemeinschaftsgarten widersprach. Für beide Aspekte konnten Lösungen gefunden werden. Die Wasserleitungen mussten durch Stahlbeton gelegt werden, sowie die Statik des Daches berücksichtigt. Dort wo die Wege das Ende des Daches erreichen musste ein 1,1 m hohes Geländer als Fallschutz montiert werden. 

Beispiel 2 – Dachlandwirtschaft – ØsterGRO (Kopenhagen/ Dk)

Bild: Gartenpolylog 2019
 

Kontakt: https://www.oestergro.dk/in-english 
Läuft seit: 2014

Kurzbeschreibung: ØsterGRO ist eine Community Supported Agriculture (CSA) auf dem obersten Deck eines ehemaligen Parkhauses in Kopenhagen. 40 Ernteanteilnehmer*innen werden mit Gemüse, Kräutern und essbaren Blüten versorgt. Zusätzlich gibt es eine Gruppe, die auch Kaninchen und Hühner hält, sowie Bienenstöcke. Ein kleines Lokal im Glashaus öffnet den Garten an 5 Abenden in der Woche für weitere Menschen. Der Schwerpunkt des Projekts liegt neben der Nahrungsmittelproduktion im Aufzeigen von Möglichkeiten, dem Wissenstransfer und dem Vernetzen. 

Entstehungsgeschichte: ØsterGRO wurde 2014 von 3 engagierten und ambitionierten Menschen gegründet. Mit Unterstützung des Kopenhagener Klima-Viertels und der Stiftung für ökologischen Landbau konnte das ehemalige Autohaus in einen Biogemüsehof mitten in der Stadt verwandelt werden. Im ersten Jahr konnten 16 Familien versorgt werden. ØsterGRO kooperiert hier mit einer Farm im Umland von Kopenhagen – die Hälfte des Gemüses wird am Dach, die andere am Partnerhof produziert. 

Zielsetzungen: Die Vision war, eine lokale und nachhaltige Lebensmittelproduktion in der Stadt zu schaffen und damit den Bürger*innen der Stadt die Möglichkeit zu geben, ökologischen Landbau aus nächster Nähe zu erleben und nachhaltige Lebensweisen zu verbreiten. Zusätzlich soll die Dachlandwirtschaft als grüne Lunge wirken.

Ort & Raum
Die Gesamte Dachfläche beträgt ca. 600 m², die Anbaufläche ca. 350 m². Bei der Gründung des Projekts wurden 110 t Erde auf das ehemalige Parkhaus gebracht. Es gibt ein Glashaus, das einerseits zur Anzucht von Jungpflanzen und andererseits als Restaurant/Aufenthaltsraum genutzt wird. Weiters gibt es einen  Kaninchen- und Hühnerstall, eine Komposttoilette, einen Werkzeugschuppen und einen Lastenlift. Besucher*innen erreichen das Projekt über eine Wendeltreppe.

Soziales
Die Dachlandwirtschaft wird von den zwei Betriebsführer*innen mit Unterstützung von vielen Freiwilligen bewirtschaftet. Weiters gibt es 40 Ernteanteilsnehmer*innen, Freiwillige, die beim Anbau helfen, 2 Betriebsführer am Partner Hof im Umland von Kopenhagen. Die Dachlandwirtschaft ist für alle Mitglieder frei zugänglich sofern nicht geschlossene Veranstaltungen stattfinden. Jeden Mittwoch ist Freiwilligentag. Nach Anmeldung kann jede*r kommen und mithelfen. Freiwillige bekommen auch ein Mittagessen. Von April – Dezember kommen jeden Mittwoch ca. 25 Freiwillige. Durch die Regelmäßige Mitarbeit gibt es einen starken informellen Wissensaustausch zwischen den Betreiber*innen und den Freiwilligen. Die Ernteanteilsnehmer*innen können mitarbeiten, müssen aber nicht. Die Hühner und Kaninchen werden von einer eigenen Gruppe betreut, an der ca. die Hälfte der Anteilsnehmer*innen beteiligt sind. 

Anbau und Ökologie
Am Dach werden Gemüse, Kräuter, Beeren in biologischer Wirtschaftsweise in Mischkultur angebaut. Es wird sehr vielfältig Gemüse angebaut mit einer hohen Sortendiversität. Die Pflanzen werden im Winter auf den Beeten gelassen um Insekten und kleine Tiere zu fördern. Unkraut wird nicht rigoros entfernt und Wildblumen bewusst angebaut. Der Boden wird so weit wie möglich mit Klee oder anderen lebenden Pflanzen bedeckt gehalten, sonst wird gemulcht. Zusätzlich werden Hühner und Bienen gehalten. Die Hälfte des Gemüses, das die Anteilsnehmer*innen bekommen, wird von einem Hof im Umland Kopenhagens produziert. Dort werden vor allem Kulturen angebaut, die mehr Platz brauchen, z.B. Erdäpfel. Die Pflege der Beete benötigt ca. 10h / Woche + die Freiwilligenarbeit. Die Pflege erfolgt in Handarbeit.

Ökonomisches
Es konnten keine genauen Angaben zu den Kosten des Projekts erhoben werden. Das Dachrestaurant zahlt aber einen Nutzungsanteil an das CSA-Projekt. Das CSA-Projekt alleine wäre nicht wirtschaftlich tragbar. In Kooperation mit dem Restaurant funktioniert es aber. Viele Mitglieder nehmen nicht nur wegen des Gemüses einen Ernteanteil, sie wollen auch das Projekt unterstützen. Die Ernte wird als Ernteanteil von Juni bis November an 40 Mitglieder ausgegeben. Auch das Restaurant erhält Ernteanteile, kauft aber auch bei anderen Produzent*innen zu. Ein Ernteanteil kostet ca 500€ /Jahr (3.600 DKK) 

Rechtliches
Die CSA hat einen temporären Nutzungsvertrag. Trotz biologischer Bewirtschaftung ist es ihnen (aufgrund der hohen Auflagen) nicht möglich eine Bio-Zertifizierung zu bekommen. Das Gemüse wird nur an Mitglieder abgegeben. Ein klassischer Verkauf wäre schwierig. Es war schwierig die Genehmigungen für das Projekt zu bekommen. Die Begehbarkeit der Dächer ist oft ein Problem. Sie arbeiten mit anderen Projekten in einer Arbeitsgruppe im Ausstausch mit der Stadt um Projektbewilligungen zu erleichtern bzw. zu fördern.

Beispiel 3 – Dachgarten des Wohnprojekts Sargfabrik  (Wien/ Ö)

Bild: Gartenpolylog
 

Kontakt: www.sargfabrik.at 
Läuft seit: 1996

Entstehungsgeschichte: Der Garten wurde im Rahmen der Errichtung des Wohnprojekts Sargfabrik auf den Dächern der Wohnbereiche angelegt.

Zielsetzungen: Begrünung und Nutzung der Dachfläche als Freiraum, zur Produktion von Gemüse und Beerenobst und zur Förderung ökologischer Lebensräume (zb. Steingarten)

Ort & Raum 
Die Gesamtfläche des Daches beträgt ca. 1000 m², die Anbaufläche ca. 150 m². Am Dach findet sich ein Bodenaufbau mit 20 – 50 cm Substrattiefe. Weiters gibt es Wasseranschlüsse, ein Bewässerungssystem, eine Absturzsicherung, Spalierobst, Baustahlverankerungen für die Bäume, einen Steingarten, mehrere Sitzbereiche und einen Griller.

Soziales 
Im Wohnprojekt Sargfabrik organisieren sich die Bewohner*innen über Arbeitsgruppen. Für die Pflege und Bewirtschaftung des Daches ist die Freiraumgruppe zuständig. Beteiligt hierbei ist die Hausverwaltung, die Arbeitsgruppe von 4 Personen für die Gesamtdachfläche und 28 Personen, die ein Beet bewirtschaften. Der Garten ist für alle Bewohner*innen und deren Besucher*innen zugänglich. Die Pflege des  allgemeinen Gartens benötigt  ca. 2-3h/Woche, für den Steingarten ca. 15h/Woche (jeweils in den Monaten März-Oktober). Wissen wird informell weitergegeben. Die Sargfabrik ist immer wieder im Austausch mit anderen Bauprojekten, die auch Dachgärten planen. Es finden viele Führungen von & für  BOKU-Student*innen statt.

Anbau & Ökologie 
Angebaut werden Gemüse, Obst, Kräuter, Zierpflanzen und ein Rasen. Allen ist eine ökologische Bewirtschaftung wichtig, aber es gibt keine vereinbarten Regeln. Die Gemüsebeete benötigen ca. 1/2h -1h / Woche an Pflege, die Bewässerung erfolgt automatisch. Vor allem im Steingarten herrscht eine sehr hohe Biodiversität an alpinen und pannonischen Pflanzen, da sich eine Person besonders damit beschäftigt. Es wurden zahlreiche Wildbienenarten gesichtet.

Ökonomie 
Die Errichtungskosten des Dachgartens sind schwer festzumachen, da dieser gemeinsam mit dem Haus realisiert wurde. Die generelle Finanzierung der Sargfabrik erfolgte über einen Kredit des Vereins Sargfabrik und der Wohnbauförderung. Bei den laufenden Kosten fallen vor allem Wasserkosten und Reparaturarbeiten bei den Drainagen, Gartenschläuchen und Möbeln ins Gewicht, für den Gemüsegarten eher wenig. Die geschätzte Ernte pro  m² beträgt ca. 10 Salate, 6 Kohlrabi, 6 Lauch. Im Sommer ist es zu heiss und zu windig, da gibt es keinen großen Ertrag. Die Ernte wird für den Eigenbedarf genutzt. Das geschätzte Einsparungspotential beim Gemüseeinkauf durch Eigenproduktion wird auf ca. 100€/Beet geschätzt.

Beispiel 4 – Dachgarten der Autofreien Mustersiedlung (Wien/ Ö)

Bild: Autofreie Mustersiedlung (facebook)
 

Kontakt: www.autofrei.org 
Läuft seit: 2000

Kurzbeschreibung: Der Dachgarten des Wohnprojekts ‘Autofreie Mustersiedlung liegt in Wien, Floridsdorf. Die Bewohner*innen haben Zugang zu mehreren begrünten Dachterrassen: 

  • Bei einer Dachterrasse ist ein Gemeinschaftsraum mit kleiner Küche angeschlossen (“Allgemeines Wohnzimmer”), diese dient eher dem Aufenthalt von BewohnerInnen bzw. dem Zusammenkommen im Rahmen von kleinen Feiern und Grillereien. 
  • Eine weitere Dachterrasse ist der Außenbereich einer Sauna, die allen BewohnerInnen zur Verfügung steht (“Saunadach”), 
  • ein weitere Dachterrasse ist für Kinder zwischen 6 und 14 Jahren verfügbar (“Kinderdach”). 
  • Die anderen beiden Terrassen (Garten-Terrasse 1 und 2) können auch zum Anbau von Gemüse, Kräutern und Beerenobst verwendet werden. Dort finden sich neben Gemeinschaftsbeeten auch Einzelbeete.

Entstehungsgeschichte: Der Garten wurde im Rahmen der Errichtung des Wohnprojekts Autofreie Mustersiedlung auf den Dächern des Wohnbaus errichtet. Bei Bezug und in den Jahren danach gab es eine Grünraumgruppe, die sich um die Bepflanzung und Pflege der Grünräume in der Siedlung und auf den Dächern kümmerte. Mittlerweile werden die Arbeiten auf den Grünflächen rund um die Siedlung über eine beauftragte Firma erledigt. Die begrünten Dachflächen auf Sauna- und Kinderdach sowie Allgemeinem Wohnzimmerdach werden von den Bewohner*innen gepflegt (für jeden Gemeinschaftsraum gibt es eine Arbeitsgruppe von 2-4 Bewohner*innen, die sich um die Instandhaltung der jeweiligen Räume und Dach-Grünflächen kümmern). Die Gemeinschafts-und Einzelbeete auf den Garten-Terrassen werden von den Bewohner*innen betreut. Ein Bewohner organisiert die Beetvergabe (einmal pro Jahr).

Ort & Raum 
Terrassenfläche: Garten-Terrasse 1: 330m2; Garten-Terrasse 2: 250m2, Anbaufläche: Garten-Terrasse 1: 160m2 / Garten-Terrasse 2: 130m2. Es stehen also jeweils ca 50% der Terrassenfläche zum Anbau zur Verfügung. Die beiden Garten-Dachterrassen bestehen aus einem mit Betonplatten befestigten Boden auf dem leicht erhöhte Beete mit Betoneinfassungen angelegt wurden. Es gibt  Wasseranschlüsse am Dach und die Beete sind an ein Tröpfchenbewässerungssystem angeschlossen (bis Herbst 2019 gab es für Gießwasser ein Brauchwassersystem; nach technischen Problemen wird seit Frühling 2020 mit Trinkwasser gegossen). Neben den erhöhten Beeten wird auch in ausgemusterten Badewannen, Blumentöpfen, Maurerwannen und ähnlichem gegärtnert. Auf Garten-Terrasse 1 befindet sich eine Kompostkiste (ca. 1 x 1m und 1,5m hoch) und ein Insektenhotel. 

Soziales 
Generell gibt es einen losen Verband der Bewohner*innen in der Siedlung. Bei den Terrassen sind Insgesamt ca. 40-50 Einzelpersonen bzw. Familien beteiligt. Die Dachgärten sind nur für die Beetmieter*innen zugänglich. Der Zugang ist mittels eines Chip-Systems geregelt (d.h. nur für Mieter*innen). Für soziale Organisation gibt es keinen Zeitaufwand (außer 1x jährlich organisierte Beetvergabe. Schätzung: gesamter Zeitbedarf ca. 5 Stunden). Bewohner*innen der Anlage können sich für ein Beet anmelden. Auf eine gewisse Rotation wird geachtet. Besonders Neuzugänge werden in der Beetvergabe bevorzugt. d.h. Beetmieter*innen, die ihr Beet kaum mehr nutzen oder die 2 Beete nutzen, werden gefragt, ob sie dieses an Neuzugänge abtreten. Angebot und Nachfrage sind recht ausgewogen. Auf jeder Garten-Dachterrasse stehen 2 Biotonnen. Alle Gärtner*innen übernehmen 1-2 Biotonnendienste, d.h. in dieser Woche müssen die Biotonnen zur Entleerung mit einem Lift hinunter auf den Mistplatz und retour gebracht werden.Manche Gärtner*innen engagieren sich intensiver, z.B. beim Kompost oder in den beidenGemeinschaftsbeeten.

Anbau & Ökologie
Angebaut werden Gemüse, Beerenobst, Kräuter, Zierpflanzen und Wiese. Die Pflegeintensität ist sehr unterschiedlich bzw. individuell, von täglich 15-60min bis 1 Mal pro Woche. Es gibt eine automatische Tröpfchenbewässerung und zur Förderung der Biodiversität wurde ein Insektenhotel errichtet.  

Ökonomisches
Die Gärtner*innen zahlen für die Nutzung eines 5 m² Einzelbeetes 25€/Jahr. Die Beetmiete geht an die Hausverwaltung und senkt die allgemeinen Betriebskosten der Siedlung. Zusätzlich sind pro Nutzer*in 4€ Gartenbeitrag zu entrichten für Reparaturen und Neuanschaffungen. Die Dachgärten wurden im Rahmen der Errichtung des Wohnbaus angelegt und finanziert. Der Ertrag/m² oder pro Beteiligter Person ist sehr individuell, je nach Arbeitseinsatz und Kulturarten von extensiv bis intensiv. Manche Beete sind nur extensiv genutzt (v.a. mit Kräutern oder Naschobst wie Erdbeeren und Himbeeren, aber auch nicht-essbare Pflanzen wie Blumen), manche ganz intensiv (und daher mit höherem Ertrag). Die Ernte wird für den Eigenbedarf verwendet.

Quellen:

Germain, A. et al. (2008): Guide to Setting Up Your Own Edible Rooftop Garden online unter: http://archives2019.rooftopgardens.alternatives.ca//sites/rooftopgardens.alternatives.ca/files/ready_to_grow.pdf.pdf,  Zugriff am 20.4.20

Fachinstitut f Biologischen Landbau, et al (2021): Essbare Seestadt, Ergebnisbericht.

Vali, Nima (2011): Analyse des Dachbegrünungspotentials der Stadt Wien im Auftrag der  MA 22, Bereich Räumliche Entwicklung, online unter: https://www.wien.gv.at/kontakte/ma22/studien/pdf/dachbegruenungspotenzial.pdf 

Quelle Beispiel 1 – Gartenwerkstadt: Interview mit Michael Graner (Gründer&Organisator) 12/19

Quelle Beispiel 2: Besichtigung & Interview mit Steffen (Organisator) 4/19

Quelle Beispiel 3: Besichtigung und Interview mit Christa Leidinger 5/19

Quelle Beispiel 4: Besichtigung und Interview mit Susanne Kummer  2/20