Fassadenbegrünung

Die Bepflanzung vertikaler Gebäudeoberflächen in Form von Fassadenbegrünungen  oder begrünten Pergolen ist in den letzten Jahren verstärkt ins Bewusstsein von Planer*innen und der Bevölkerung gerückt.

Als platzsparendes Element städtischer grüner Infrastruktur und als Maßnahmen zur Minderung des urbanen Hitzeinseleffekts werden sie immer häufiger eingesetzt. Dies hat zur Entwicklung innovativer Begrünungssysteme geführt.  Fassadenbegrünungen erbringen vielfältige positive Leistungen für die Lebensqualität im urbanen Raum. Werden essbare Pflanzen verwendet, können Fassadenbegrünungen zur Nahrungsmittelproduktion eingesetzt werden. Darüber hinaus regulieren sie das Mikroklima, indem sie die solare Einstrahlung auf Gebäudeoberflächen minimieren und die Umgebung durch die natürliche Verdunstungsleistung kühlen. Begrünte Fassaden binden Feinstaub und verbessern die Luftqualität. Sie sind ästhetisch ansprechend, rufen positive Emotionen hervor und wirken sich vorteilhaft auf die Erholung, die Zufriedenheit und die psychische Gesundheit aus. In Anbetracht zunehmender Bebauungsdichten und knapper Flächenressourcen im urbanen Raum stellen Fassadenbegrünungen eine wirkungsvolle und kompakte Ergänzung für das Angebot an urbaner grüner Infrastruktur dar. 

Ort und Raum
Grundsätzlich wird zwischen bodengebundenen und fassadengebundenen Begrünungssystemen unterschieden. Bei bodengebundenen Fassadenbegrünungen wurzeln die Pflanzen im natürlich gewachsenen Boden, der direkt an die Fassadenfläche anschließt. Bei fassadengebundenen Begrünungsformen wachsen die Pflanzen in Pflanzgefäßen oder flächigen Vegetationsträgern, die an Gebäudeteilen (Fassaden, Balkonen, Loggien) befestigt sind. Einen guten Überblick über die unterschiedlichen Begrünungssysteme, die technischen Grundlagen sowie die Wuchseigenschaften und Ansprüche gängiger Pflanzenarten bietet der Leitfaden Fassadenbegrünung der Wiener Umweltschutzabteilung. Typische Beispiele für essbare bodengebundene Fassadenbegrünungen sind Spalierobst oder Begrünungen mit kletternden Obstgehölzen. 

Wie groß Fassadenbegrünungen sein können, hängt von mehreren Faktoren ab. Die Größe der begrünbaren Gebäudefläche, ihre Standortcharakteristika (Wind, Ausrichtung, bauliches Umfeld) sowie die Tragfähigkeit der Fassade, die direkt an die Gebäudefassade anschließenden Bodenflächen und ihr Wurzelvolumen sind entscheidend. Ist ausreichend Platz vorhanden, kann zB. Efeu bis zu 30 m emporwachsen. Fassadengebundene Systeme sind in ihrer Flächengröße kaum eingeschränkt – jedoch auch wesentlich teurer. Brandschutzbestimmungen oder Erreichbarkeiten für Pflegearbeiten können die Größen einschränken. Je höher die Begrünung, desto komplexer ist in der Regel die Wartung und desto schwieriger sind die Flächen für die Ernte erreichbar. Ab 5 m sind Leitern und Teleskopgeräte nicht mehr ausreichend. 

Anbau und Ökologie
Fassaden sind extreme Pflanzenstandorte. Die Pflanzenauswahl muss sorgfältig auf das Begrünungssystem und die Standortbedingungen abgestimmt werden. Simple Varianten essbarer Fassadenbegrünungen sind bodengebundene Begrünungen mit kletternden Schlingpflanzen und Obstgehölzen, wie etwa Brombeeren, Kiwi, Hopfen, Bohnen oder echtem Wein. Bei Obstspalieren können vielerlei Obstsorten zum Einsatz kommen: zum Beispiel Spalieräpfel, Spalierbirnen, Pfirsiche oder Marillen. Living Wall Systeme eignen sich vor allem für Pflanzen, die wenig Wurzelraum benötigen, wie etwa Kräuter, Blattgemüse, Salate, Erdbeeren, Tomaten, Zwiebeln oder Kohlrabi. Ob essbar oder nicht, Fassadenbegrünungen tragen zur Steigerung der Tier- und Pflanzenvielfalt in urbanen Räumen bei. Sie erhöhen das Angebot an Lebensräumen, Nahrung und Nistplätzen für Vögel und Insekten.

Soziales
Liegen Fassadenbegrünungen auf privaten oder teilöffentlichen Flächen, werden sie meist von Privatpersonen oder Gebäudebesitzer*innen (Bewohner*innen, Eigentümer- oder Mietergemeinschaft, Bauträger*innen) initiiert und betreut. Im öffentlichen Raum können auch öffentliche Institutionen Träger*innen sein. 

Ökonomisches
Die Produktivität essbarer Fassadenbegrünungen kann je nach Begrünungssystem, Größe und Nutzpflanzenarten sehr unterschiedlich sein. Während die Früchte rankender Obstgehölze einen schönen Nebeneffekt darstellen, kann Spalierobst an günstigen Standorten hohe Erträge erzielen. Die meisten der bisher im urbanen Raum eingesetzten Fassadenbegrünungen werden mit nicht essbaren Pflanzen begrünt. In diesen Fällen stehen ökologische, mikroklimatische, ästhetische oder soziale Aspekte im Vordergrund. 

Rechtliches
Vor der Umsetzung von Fassadenbegrünungen müssen die rechtlichen Vorgaben geklärt werden. Diese können in Ländern, Bundesländern oder Gemeinden unterschiedlich sein. Werden Fassadenbegrünungen auf privaten Grundstücken errichtet, muss das Einverständnis aller Eigentümer*innen und gegebenenfalls (wenn die Fassadenbegrünungen z. B. an der Mauer des Nachbargebäudes wächst) auch jenes der Nachbar*innen eingeholt werden. Zusätzlich können, vor allem wenn die Begrünung an öffentliches Gut grenzt (z. B. an den Gehsteig), Baubewilligungen oder Prüfungen hinsichtlich des Stadt- oder Ortsbilds notwendig sein.

Beispiel 1: Fassadenbegrünung am Holzwohnbau in der Seestadt Aspern, Baufeld D12 (Wien/ Ö)

Bild: Roswitha Weichselbaumer

Lage: Seestadt Aspern, Maria-Tusch-Straße 6, 22. Bezirk, Wien
Link: http://www.idealice.com/sh_projects/wohnbau-aspern-d12 
Kontakt: idealice – Alice Größinger office@idealice.com 

Errichtung: 2015

Kurzbeschreibung: Die Fassade der Wohnanlage der EBG in der Seestadt Aspern wurde mit einer bodengebundenen Fassadenbegrünung begrünt. Sowohl an der Straßenseite als auch im Innenhof wachsen die Kletterpflanzen an Rankgittern an den Fassaden empor – an der Straßenseite bis zu einer Höhe von zwei Geschossen, im Innenhof bis zu einem Geschoß. Für die Begrünung wurden Zierpflanzen mit essbaren Klettergehölzen kombiniert. Neben der (essbaren) Fassadenbegrünung finden sich in der Wohnanlage auch essbare Gehölze sowie Staudenbeete mit Kräutern und Gemüsepflanzen.
Entstehungsgeschichte: Das Wohngebäude wurde mit Mitteln der Wiener Wohnbauförderung vom Bauträger EBG errichtet und 2015 fertiggestellt. Die öffentlichen und teilöffentlich nutzbaren Freiräume am Bauplatz und die Gebäudebegrünung plante das Landschaftsarchitekturbüro idealice in einem partizipativen Planungsprozess. Die Bewohner*innen wurden unter anderem bei der Auswahl der Pflanzen oder bei der Ausstattung der Kleinkinderspielbereiche mit einbezogen.
Zielsetzungen: Die Fassadenbegrünung ist ein Gestaltungselement, das als platzsparende Begrünungsform, die auf knapper Fläche eingesetzt werden kann, den Innenhöfen einen üppig begrünten Charakter verleiht. Auch aus mikroklimatischer und ökologischer Sicht erfüllt die Fassadenbegrünung wichtige Funktionen für das Wohlbefinden der Bewohner*innen.

Baulich- räumliche Organisation
Die begrünbare Fassadenfläche beträgt insgesamt etwa 800 m². Die Begrünung wurde in Form einer bodengebundenen Fassadenbegrünung realisiert. Im Erdgeschoss wurzeln die Pflanzen im direkt an die Gebäudefassade anschließenden Erdreich, in den Innenhöfen in der Substratschicht der intensiven Garagendachbegrünung. An den Fassaden sind Klettergerüste aus Edelstahl angebracht, an denen die Pflanzen ranken. Die Fassadenbegrünung befindet sich abschnittsweise an allen vier Seiten des Gebäude (N, S, O, W). Eine automatische Bewässerungsanlage versorgt die Pflanzen mit Wasser.

Anbau und Ökologie
Die Bepflanzung besteht aus einer Mischung aus Zierpflanzen (z.B. Kletterhortensien – Hydrangea anomala, Akebien – Akebia quinata oder Bergwaldreben – Clematis montana) und Sorten, die essbare Früchte tragen (Kiwi – Actinidia arguta ‘Maki’, echter Wein –Vitis coignetiae). Die Bepflanzung wurde an die jeweilige Himmelsrichtung der Fassadenfläche angepasst.Die Hausverwaltung ist für die Pflege der Freiräume und der Fassadenbegrünung verantwortlich. Das Projekt weist eine große Vielfalt an verwendeten (essbaren) Pflanzenarten auf. Die Gehölze blühen zu unterschiedlichen Zeiten und schaffen ein vielfältiges Nahrungsangebot und einen wichtigen Lebensraum für Vögel, Bienen und Insekten. 

Soziale Organisation 
Die Begrünung wurde von der Bauträgerin EBG in Auftrag gegeben und umgesetzt. Sie ist auch für die Erhaltung der Begrünung zuständig. „Genutzt“ wird die Fassadenbegrünung gemeinschaftlich von den Bewohner*innen. Ihre Leistungen kommen aber auch Nachbar*innen und Passant*innen zugute.

Die Fassadenbegrünung befindet sich zum Teil in den teilöffentlich nutzbaren Bereichen der Wohnanlage und zum Teil an den Außenfassaden, die an den öffentlichen Straßenfreiraum grenzen. Somit haben alle Mieter*innen aber auch Menschen, die nicht in der Wohnanlage wohnen, Zugang zur Begrünung. Die Bewohner*innen wurden in die Auswahl der Pflanzen im Innenhof und in den Privatgärten mit einbezogen. Eine Umgestaltung oder Initiativen, die die Fassadenbegrünung betreffen, müssen aber mit der Hausverwaltung abgestimmt werden und erfordern die Zustimmung der Eigentümerin. In den Erdgeschossgärten und in den Terrassenbereichen in den Innenhöfen haben die Bewohner*innen zum Teil eigene Kletterpflanzen gesetzt, für die sie Verantwortung übernehmen. 

Ökonomie
Finanzierung: Die Errichtung der Fassadenbegrünung wurde von der Bauträger*in finanziert. Die Kosten für die Pflege der Begrünung werden von den Mieter*innen getragen und über die Betriebskosten abgerechnet.  

Verwendung der Ernte: Die essbaren Pflanzen der Wohnanlage leisten einen kleinen Beitrag zur Selbstversorgung der Bewohner*innen. Die Früchte der Obstgehölze und der essbaren Kletterpflanzen sowie die Kräuter und Gemüsepflanzen können prinzipiell von allen Bewohner*innen geerntet werden.

Rechtliche Kriterien und strukturelle Rahmenbedingungen
Die strukturellen Rahmenbedingungen werden unter anderem von der Wohnrechtsform bestimmt. Die Wohnanlage befindet sich im Eigentum der Bauträgerin, die Wohnungen und die privaten Freiräume werden vermietet. Die Zuständigkeit und Verantwortung für die begrünte Fassade und die teilöffentlichen und öffentlichen Freiräume liegen bei der Bauträgerin. Die Mitbestimmung und Gestaltung der begrünten Fassade muss mit der Hausverwaltung ausgehandelt werden.  

Herausforderungen
Die rechtlichen und strukturellen Rahmenbedingungen schränken die individuellen und selbstbestimmten Aneignungsmöglichkeiten durch die Bewohner*innen ein und können eine Herausforderung darstellen. 

Beispiel 2: Forschung – Vertikale Gärten/ Living Wall (Dt) 

Bild: Plakat-Ausschnitt der lwg (Webadresse s.u.)

Link: http://www.lwg.bayern.de/landespflege/urbanes_gruen/135065/index.php 
Kontakt: poststelle@lwg.bayern.de
Laufzeit: 2016 – 2019

Fassadengebundene Begrünungen, die mit Nutzpflanzen bepflanzt werden – sogenannte „Living Walls“ oder „vertikale Gärten“ – stellen neuartige Systeme dar und werden erst seit Kurzem erprobt. Im Rahmen eines Forschungsprojekts der Bayrische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) wurden unterschiedliche Living Wall Systeme für die Nahrungsmittelproduktion getestet. Einige wandgebundene Systeme wurden als Demonstrationsobjekte in den Schaugärten des LWG in Deutschland ausgestellt und konnten von interessierten Besucher*innen besichtigt werden. Während der Sommermonate wurden in einigen Gärten Workshops, Seminare und Führungen angeboten. 
Zielsetzungen: Ziel des Forschungsprojekts war die vergleichende Untersuchung verschiedener wandgebundener Begrünungssysteme zur Gemüseproduktion. Der Fokus lag auf der Handhabung der Systeme, der Entwicklung der Pflanzen und auf den Ernteerträgen. 

Baulich-räumliche Organisation
Die Größe der Versuchswände betrug zwischen 1 m² und 7 m². 

Bei den untersuchten Systemen handelte es sich um fassadengebundene Begrünungssysteme ohne Bodenanschluss, bei denen der Substratkörper und die Pflanzen mit Hilfe technischer Konstruktionen in Form von Platten, Wannen oder Trögen an vertikalen Flächen befestigt werden. Untersucht wurden verschiedene Begrünungssysteme mit unterschiedlichem Aufbau – darunter hydroponische Systeme, Systeme mit Kunststoffgefäßen, Vlies-Systeme mit Rinnen, Gabionenkörbe, Do-it-Yourself Konstruktionen aus Paletten oder Hochbeete aus Holz.
Infrastruktur: Die Versuche wurden auf Flächen des LWG oder auf Versuchsflächen der Projektpartner*innen angelegt. Ein Teil der Systeme wurde im Freien installiert, ein Teil im Gewächshaus. Die meisten Versuchswände waren mit automatischen Bewässerungssystemen ausgestattet. Die Objekte in den Gewächshäusern wurden künstlich belichtet. 

Anbau und Ökologie
Kulturen: Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden folgende Kulturen gepflanzt: unterschiedliche Salatsorten, Erdbeeren, Tomaten, Fenchel, Buschbohnen, Rote Bete, Kohlrabi, Petersilie und Dill. Je nach Begrünungssystem und Bewässerung gediehen die Kultursorten unterschiedlich gut. Kohlrabi, Salatsorten und Tomaten lieferten die höchsten Erträge.

Anbau: Die Versuchsobjekte wurden vom Forschungsteam betreut und gepflegt. Die Pflanzen wurden innerhalb des Versuchszeitraums mehrmals gedüngt und regelmäßig (meist vollautomatisch) bewässert. Die Bewässerung wurde laufend angepasst. 
Biodiversitätsförderung: Das Thema Biodiversität stand im Forschungsprojekt nicht im Vordergrund. Fassadengebundene Begrünungen mit Nutz- und Zierpflanzen erhöhen jedoch grundsätzlich die Pflanzenvielfalt und stellen ein wichtiges Habitat für Bienen und Insekten dar. 

Soziale Organisation 
Das Forschungsprojekt wurde von der Bayrischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Zusammenarbeit mit Projektpartner*innen innerhalb der Forschungseinrichtung durchgeführt. Am Versuch beteiligt waren ausschließlich Projektmitarbeiter*innen.

Bildungs- und Wissensvermittlung
Die Forschungsergebnisse sind auf der Homepage der LWG veröffentlicht. Einige der Versuchswände (sowohl professionelle Systeme als auch Do-It-Yourself-Konstruktionen) wurden in Schaugärten oder auf Demonstrationsflächen ausgestellt und konnten von Interessierten besucht werden. Das Kennenlernen dieser Systeme, die Steigerung der Wertschätzung und die Sensibilisierung für die lokale Gemüseproduktion standen dabei im Fokus. 

Ökonomie
Das Forschungsprojekt wurde vom Bayrischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten finanziert. Die Ernte diente in erster Linie Forschungszwecken und wurden genau dokumentiert. Die Erntemengen lagen je nach System und gepflanzten Kultursorten zwischen 1,6 und 7 kg/m² pro Jahr.

Rechtliche Kriterien und strukturelle Rahmenbedingungen
Die im Forschungsprojekt erprobten Begrünungssysteme können sowohl im privaten, im teilöffentlichen als auch im öffentlichen Raum umgesetzt werden. Je nach Standort variieren die rechtlichen und strukturellen Rahmenbedingungen sowie die Zuständigkeiten für die Umsetzung und Betreuung. 

Herausforderungen
Die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten fassadengebundener Begrünungssysteme können eine Herausforderung für die Umsetzung von Living Walls darstellen. Auch der Ausfall der Bewässerung oder eine unregelmäßige Wasserversorgung hat sich im Forschungsprojekt als Risiko herausgestellt.  

Beispiel 3: Forschung – GrünPlusSchule Kandlgasse (Wien/ Ö)

Bild: TU Wien

Link: (Webseite der TU Wien) Begrünung von Schulen im Altbau: Forschungsbereich Ökologische Bautechnologien
Kontakt: Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Azra Korjenic, azra.korjenic@tuwien.ac.at
Errichtung: 2015 – 2018

Kurzbeschreibung: Im Gymnasium in der Kandlgasse (GRG 7) wurden im Rahmen eines Forschungsprojekts unterschiedliche Systeme zur Dach-, Fassaden- und Innenwandbegrünung umgesetzt und ihre Wirkungen wissenschaftlich untersucht. Auch essbare Pflanzen kamen dabei zum Einsatz. Die Schüler*innen und Lehrer*innen waren in die Umsetzung des Projekts und in die Forschungsarbeit involviert. Das Gymnasium befindet sich in einem Altbaugebäude. Die umgesetzten Systeme sind daher Beispiele für Begrünungslösungen im Gebäudebestand.

Entstehungsgeschichte: Die grünen Wände und Dächer des Schulgebäudes wurden im Rahmen des Forschungsprojekts „GrünPlusSchule“ realisiert, das von der TU Wien initiiert und gemeinsam mit den Forschungspartner*innen (BOKU, DI Joachim Kräftner u. ATB-Becker e.U.) in Kooperation mit dem Gymnasium Kandlgasse durchgeführt wurde.
Zielsetzung: Ziel war die Umsetzung verschiedener am Markt erhältlicher Begrünungssysteme für Dächer, Fassaden und Innenräume an einem bestehenden Gebäude. Im Vordergrund standen dabei die bauphysikalischen, ökonomischen und ökologischen Untersuchungen der Begrünungslösungen. Ein Forschungsschwerpunkt widmete sich der Kombination der Gebäudebegrünungen mit Photovoltaikmodulen. Auch die Förderung des forschenden Lernens und die Einbindung des Projekts in den Schulalltag waren zentrale Forschungsziele.

Baulich- räumliche Organisation
Größe: In den Innenräumen, an den Außenfassaden und auf den Dächern des Schulgebäudes wurden verschiedene Begrünungssysteme installiert. Die Begrünung wurde dabei auf mehreren unterschiedlich großen Versuchsflächen an geeigneten Stellen umgesetzt. Die Fassadenbegrünungen an den Außenwänden weisen Flächengrößen zwischen 3,6 und 58 m² auf.

Begrünungssystem: An den Außenwänden wurden verschiedene fassadengebundene Begrünungssysteme sowie Begrünungen mit Hilfe von Pflanztrögen und Pflanzbeeten getestet. Bei den fassadengebundenen Begrünungen kamen ein Trog- und zwei Kassettensysteme zum Einsatz. Da im Innenhof kein direkter Anschluss der Fassadenflächen an den natürlich gewachsenen Boden vorhanden ist, wurden bereits vorhandene Hochbeete mit Kletterpflanzen untersucht, die an den Holzgerüsten an der Fassade der Turnhalle emporwachsen. Als Mischform zwischen boden- und fassadengebundener Begrünungen wurden zusätzlich Pflanztröge an einer Außenmauer im Innenhof aufgestellt. Dort dient ein Metallzaun als Klettergerüst.
Infrastruktur: Die Begrünungen sind alle auf den Gebäude- und Freiflächen der Schule umgesetzt. Alle fassadengebundenen Begrünungen werden mit automatischen Bewässerungsanlagen bewässert, die per Computer gesteuert werden. Dafür sind entsprechende Wasser- und Stromanschlüsse notwendig.

Anbau und Ökologie
Kulturen: Je nach Begrünungssystem wurden unterschiedliche Pflanzenarten ausgewählt. An den Außenfassaden wachsen Zierpflanzen in Kombination mit Kräutern und kletternden Gemüsepflanzen. In den Pflanztrögen finden sich an essbaren Pflanzen: Kapuzinerkresse, Hopfen, Stangenbohnen, Taglilien und Bergminze. In den Aluminiumtrögen der fassadengebundenen Systeme wachsen hauptsächlich Zierpflanzen sowie vereinzelt Oregano, Schnittlauch, Bergminze, Rucola und Salbei.

Anbau: Die Fassadenbegrünungen an den Außenwänden wurden von den Hersteller*innen gemeinsam mit dem Projektteam installiert und bepflanzt. Gepflegt werden die grünen Innenwände zum Teil vom Schulpersonal. Die Fassadenbegrünungen befinden sich in der Regel jedoch an höher gelegenen, schwer erreichbaren Fassadenteilen und werden von einer externen Fachfirma gewartet und gepflegt. Bewässert werden die Fassadenbegrünungen mittels Tropfschläuchen von automatischen Bewässerungsanlagen, die über Zeitschaltuhren und Bewässerungscomputer oder Steuerungsgeräte geregelt werden.
Biodiversitätsförderung: Die begrünten Fassaden der Schule erhöhen die pflanzliche Vielfalt in einem dicht bebauten Stadtquartier und bieten Vögeln und Insekten wertvolle Lebensräume.

Soziale Organisation
Organisationsform: Die Begrünung wurde vom Forschungskonsortium in Zusammenarbeit mit der Schulleitung ausgewählt und umgesetzt. Nach Ende des Forschungsprojekts befinden sich die grünen Wände und Dächer im Besitz und im Zuständigkeitsbereich der Schule.

Begegnungsmöglichkeiten und Zugang: Die begrünten Außenwände sind zum privat nutzbaren Innenhof der Schule ausgerichtet. Einen regelmäßigen Zugang zu den Fassadenbegrünungen haben ausschließlich die Schüler*innen, Lehrer*innen und das Schulpersonal.
Beteiligung: Die Schule war aktiv am Forschungsprojekt beteiligt. Die Konzipierung und Umsetzung des Projekts erfolgte in enger Abstimmung mit der Direktion. Lehrende griffen passende Forschungsthemen im Unterricht auf.
Bildungs- und Wissensvermittlung: Die Wissensvermittlung an die Schüler und Schülerinnen war ein Schwerpunkt des Forschungsprojekts. Die Themen Gebäudebegrünung, nachhaltige Energieproduktion und Umweltschutz wurden am Beispiel des Projekts in den Unterricht integriert. So wurde etwa im Physikunterricht die Photovoltaikanlage erklärt und Erträge beobachtet, im Informatikunterricht ein Teil der erhobenen Daten verarbeitet und im Biologieunterricht die Vegetation sowohl an den Grünwänden als auch am Extensivdach untersucht. Im Rahmen von Workshops halfen die Schüler*innen beim Bepflanzen der Innenwandbegrünungen. Am Projekt wurden auch Vorwissenschaftliche Arbeiten durchgeführt.

Ökonomie
Finanzierung: Die Errichtung der Fassadenbegrünung wurde im Rahmen des Technologieprogramm „Stadt der Zukunft“ mit Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz (BMK) / der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) finanziert und vom Gebäudeeigentümer, der BIG (Die Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H.), unterstützt. Die Kosten für die Pflege der Begrünung werden inzwischen vollständig von der BIG getragen.

Verwendung der Ernte: Die gepflanzten Kräuter liefern nur sehr geringe Erntemengen. In erster Linie steht der Bildungsaspekt im Vordergrund.

Rechtliche Kriterien und strukturelle Rahmenbedingungen
Die am Gymansium Kandlgasse realisierten Fassadenbegrünungen können auch auf anderen Gebäuden im Altbestand errichtet werden. Schulgebäude sind häufig in öffentlichem Besitz. Bei Zustimmung der Gebäudeeigentümer*innen ist eine Umsetzung auf den schuleigenen Flächen und Gebäudeteilen meist problemlos möglich. Grenzen die Fassadenbegrünungen an den öffentlichen Straßenfreiraum oder bewachsen sie auch Mauern benachbarter Grundstücke, sind zusätzliche behördliche Genehmigungen und Einverständniserklärungen notwendig.  

Herausforderungen
Vitale Fassadenbegrünungen – vor allem fassadengebundene Systeme – benötigen eine gute Bewässerung. Eine händische Bewässerung ist zeitaufwändig, aber auch automatische Bewässerungsanlagen müssen regelmäßig kontrolliert und ab und zu reguliert werden. Das Schulpersonal benötigt dafür zeitliche Ressourcen und ein gewisses technisches Grundwissen. Systeme mit dickeren Vegetationsträgern, Wannensysteme und bodengebundene Fassadenbegrünungen sind resilienter in Bezug auf die Wasserversorgung. Auch die Pflege der Fassadenbegrünungen kann eine Herausforderung darstellen. Je höher die begrünten Wände angebracht sind, desto unzugänglicher sind sie und desto eher werden Spezialgeräte und Fachpersonal notwendig. Die Zugänglichkeit der Begrünung sollte bereits bei der Planung sorgfältig bedacht werden.

Quellen: 

Beltz, H. (2012): Spalierobst im Garten. Sorten, Pflege, Schnitt. München: BLV. 

Eppel, J. & Demling, F. (2019): „Urban Gardeining“ mit Dach- und Fassadenbegrünung. Nahrungsmittelproduktion auf überbauten Flächen im Siedlungsbereich. Bayrische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (Hg.). Online unter: https://www.lwg.bayern.de/mam/cms06/landespflege/dateien/2019_urbangardening_endbericht-imperia.pdf (Zugriff am 08.11.2020).

Hop, M. E. C. M. & Hiemstra, J. A. (2013): Contribution of Green Roofs and Green Walls to Ecosystem Services of Urban Green. In: Van Huylenbroeck, J. et al. (Eds.), Proceedings – II International Symposium on Woody Ornamentals of the Temperate Zone. ISHS Acta Horticulturae 990, S. 475-480.

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MA 19 – Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 19, Architektur und Stadtgestaltung (2019): Fassaden- & Vertikalbegrünung. Internationale & nationale Best-Practice-Beispiele. Online unter: https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/studien/pdf/e000037.pdf  (Zugriff am 02.10.2020)

MA 22 – Wiener Umweltschutzabteilung (Hg., 2020): Leitfaden Fassadenbegrünung. Online unter: https://www.wien.gv.at/umweltschutz/raum/pdf/fassadenbegruenung-leitfaden.pdf (Zugriff am 02.10.2020)-

Nagle, L.; Echols, S.; Tamminga, K. (2017): Food production on a living wall: pilot study. In: Journal of Green Building 12/3, S. 23 – 38. 

Pieber, K. & Modl, P. (2011): Spalierobst für Mauer, Hecke, Pergola: anlegen, formen, pflegen. Graz: Stocker.

Pfoser, N. (2016): Fassade und Pflanze. Potenziale einer neuen Fassadengestaltung. Dissertation, Technische Universität Darmstadt.

Pfoser, N., Jenner, N., Henrich, J., Heusinger, J. & Weber, S. (2013): Gebäude Begrünung: Energie Potenziale und Wechselwirkungen. Interdisziplinärer Leitfaden als Planungshilfe zur Nutzung energetischer, klimatischer und gestalterischer Potenziale sowie zu den Wechselwirkungen von Gebäude, Bauwerksbegrünung und Gebäudeumfeld. Abschlussbericht August 2013.

Reinwald, F., Weichselbaumer, R., Liebl, U., Brandenburg, C., Damyanovic, D. (2018): Green up your City – Fassaden- und Dachbegrünung im geförderten Wohnbau in Wien. Forschungsbericht im Auftrag der MA50 – Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung für Wohnbauforschung und internationale Beziehungen, Wien.

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