Hochbeete Wien
Öffentliche Beete

Pflanzenanbau von Bürger*innen für die öffentliche Nutzung erfährt verstärkt Zuspruch in der nachhaltigen Stadtentwicklung. Dabei kann es sich um einzelne Gemüsebeete oder Kräuterspiralen handeln,

bunt bepflanzte Baumscheiben, oder etwa Staudenbeete. Öffentliche Beete übernehmen nicht nur ästhetische Funktionen, sondern vor allem ökologische, soziale und ökonomische. Öffentlich zugängliche Beete laden Stadtbewohner*innen ein, sich in deren Nutzung und Pflege einzubinden. Somit können Bewohner*innen für ihre urbanen Grünräume sensibilisiert werden. Sowohl kleine, als auch große öffentliche Grünflächen können phantasievoll bepflanzt und bespielt werden, wobei nicht nur Stadtbewohner*innen davon profitieren, sondern die gesamte Umwelt. Öffentliche Beete bringen Farbe in den urbanen Raum, sie bieten Lebensraum für Pflanzen und Tiere und können in ausreichender Zahl ein Netz von Kleinlebensräumen über die Stadt legen. Vision der Essbaren Stadt ist es folglich, Freiflächen mit Obst und Gemüse zum Pflücken zu bepflanzen und dabei Biodiversität und Klimaschutz berücksichtigen (bzfe, 2019). 

Die Größe öffentlicher Beete ist nicht festgelegt. Bereits eine einzelne bepflanzte Baumscheibe spiegelt die vielfältigen Funktionen öffentlich zugänglicher Beete im städtischen Raum wider.  Die Voraussetzung zur Bepflanzung von urbanen Grünflächen ist ein gesunder Boden. Da in Städten selten eine ideale Ausgangssituation gegeben und der Boden oftmals kontaminiert ist, bieten sich besonders Hochbeete bzw. Container-Beete dafür an. Die Verfügbarkeit von Wasser bei öffentlichen Beeten ist sicherlich von Vorteil. Ausschlaggebend ist jedoch deren Organisationsform, das heißt von wem die Beete verwaltet und gepflegt werden. Öffentliche Beete bilden, ebenso wie Gemeinschaftsgärten, ökologische Handlungsräume, in denen vielerlei angebaut werden kann – von Gemüse bis hin zu Kräutern und Zierpflanzen. Bieten die Grünflächen ausreichend Platz, können ebenso Beerensträucher und Obstbäume gepflanzt werden. Durch den Anbau von Nutz- und Kulturpflanzen wird zudem der städtische Boden kultiviert oder mittels Hochbeeten und Containern genutzt. Öffentliche Beete in der Stadt bieten somit auch neue Lebensräume für Insekten, Bienen und Vögel. 

Die Nutzung der öffentlichen Beete kann in Form eines Vereins organisiert werden oder etwa von öffentlichen Institutionen oder Privatpersonen getragen werden. Öffentlich zugängliche Beete und Gärten übernehmen neben ökologischen  vor allem auch soziale und kulturelle Funktionen. Sie vermögen es, Schlüsselkompetenzen und Soft- Skills von Stadtbewohner*innen wie Fähigkeit zum Engagement, sozialer Kompetenz, Selbstachtung, Respekt, Toleranz und Empathie zu fördern. Zudem stellen Gärten im öffentlichen Raum symbolische Orte dar, die eine Wiederaneignung und Neuinterpretation des öffentlichen Raumes durch Bewohner*innen befürworten (Müller, 2009). Sie weisen unterschiedliche ökonomische Aspekte auf – sie müssen nicht nur gepflegt werden, sondern die gesamte Organisation ist mit Arbeit verbunden, was wiederum ökonomische Ressourcen impliziert.

Im Hinblick auf Produktivität und Ernte kann der Kontext öffentlicher Beete je nach Ausrichtung sehr unterschiedlich sein. Einige Anlagen zielen darauf ab, dass Stadtbewohner*innen Blumen, Gemüse, Obst und Kräuter frei pflücken können. Dabei steht vor allem der Zugang zu frischem, regionalem Gemüse für die Öffentlichkeit im Vordergrund. Andere widerum zielen lediglich auf die Begrünung städtischer Freiflächen ab, auf denen hauptsächlich Zierpflanzen wie etwa Blumen, Büsche und Gräser von Bürger*innen gepflanzt werden. Hier ist der Partizipationsaspekt zentral. Der Beitrag zur Nahrungsmittelversorgung steht beim Gemüseanbau im öffentlichen Raum häufig nicht im Mittelpunkt. beim Gemüseanbau im öffentlichen Raum ist gering. Es gilt, Stadtbewohner*innen für gesunde und regionale Ernährung zu sensibilisieren.  Da sich die Beete auf öffentlichen Flächen befinden, findet meist eine enge Kooperation zwischen der Gemeinde und jeweiligen Vereinen statt. Auch Bürger*innen-Initiativen spielen oft eine wichtige Rolle in Hinblick auf Vermittlung zwischen Verwaltung, Politik und Gesellschaft. 

Bei der Bepflanzung öffentlicher Flächen sollten sowohl rechtliche, als auch haftungs- technische Fragen bezüglich Nutzungsrechte und Versicherung vorab geklärt werden. Eine weitere Frage, die in diesem Kontext immer wieder zum Vorschein tritt bezieht sich auf die mögliche Schadstoffbelastung von Obst und Gemüse durch Feinstaub und potentiell kontaminierte Böden. Die Angst vor Vandalismus und die Sorge, dass die Gestaltung öffentlicher Beete nicht den ästhetischen Richtlinien entsprechen könnte, gelten als weitere Herausforderung seitens der Stadtverwaltung- und Politik (Jauschnegg et al., 2015).

Beispiel 1 – Garteln ums Eck

Bild: GB stern, Wien Margareten

Link: https://www.gbstern.at/themen-projekte/urbanes-garteln/garteln-ums-eck/ 
Laufzeit: seit 2011

Kurzbeschreibung: Bei dem Projekt Garteln ums Eck werden Bewohner*innen dazu eingeladen Ihr Grätzel selbst mitzugestalten und somit zur erhöhten Lebensqualität im eigenen Wohnumfeld beizutragen. Bewohner*innen können sich als Stadtteilgärtner*innen engagieren, indem sie in Absprache mit der Gebietsbetreuung Stadterneuerung Baumscheiben bepflanzen und diese pflegen. So können Baumscheiben- das Erdreich rund um einen Baum- oder auch kleine Zwickelflächen begartelt werden und damit für mehr Grün im Grätzel sorgen. Nach Kontaktaufnahme mit der Gebietsbetreuung Stadterneuerung bezüglich Verfügbarkeitscheck und Gestaltungsvereinbarung, kann dann drauf los gegartelt werden. Aufgrund der Belastung durch Schadstoffe und Feinstaub wird allerdings davon abgeraten essbare Pflanzen zu setzen.   

Entstehungsgeschichte: Die ersten Baumscheiben wurden in den 90er-Jahren im 2. Wiener Gemeindebezirk von Bewohner*innen in Eigeninitiative bepflanzt. Bald fanden sich Nachahmer*innen und die Expert*innen der Gebietsbetreuung begannen bei der Abstimmung mit den Bezirken sowie fachlich zu unterstützen. Die Bepflanzung von Baumscheiben und kleinen Grünflächen wurde immer beliebter und die Gebietsbetreuungen setzten sich dafür ein, die Begrünung wienweit zu ermöglichen. Seit 2013 gibt es die Initiative Garteln ums Eck.

Zielsetzungen: Ziel des Projektes Garteln ums Eck ist es, Anrainer*innen in ganz Wien für die Gestaltung von Baumscheiben und Plätzen im Grätzel zu begeistern und so das soziale Zusammenleben und die Identifikation mit dem eigenen Stadtteil zu fördern. Umwelt und Nachhaltigkeit spielen dabei eine ebenso wesentliche Rolle, wobei Menschen die Möglichkeit gegeben wird sich aktiv für nachhaltige Stadtentwicklung einzusetzen.  Dabei soll das Grätzel mittels  persönlicher Akzente begrünt und verschönert werden.

Ort & Raum 
Meist handelt es sich bei den Flächen um das Erdreich direkt unter Straßenbäumen, fallweise auch um Restflächen ohne Bäume oder Sträucher. Die Größe variiert- meist handelt es sich um wenige Quadratmeter, in Abstimmung sind aber auch größere Flächen möglich. Bei der Auswahl der Baumscheibe empfiehlt es sich, die Nähe des Wohnstandortes zu berücksichtigen, um die Pflege zu erleichtern. Ein nahegelegener Wasseranschluss ist zudem von Vorteil, da im Sommer (je nach Pflanzen) etwa alle zwei Tage gegossen werden sollte. Insgesamt gibt es derzeit 880 über Garteln um’s Eck gepflegte Baumscheiben in Wien.

Anbau und Ökologie
Es empfiehlt sich anspruchslose und Standortgerechte Pflanzen zu setzen, die auch bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen gedeihen. Giftige Pflanzen und Kletterpflanzen, die sich an Bäumen hochranken sind nicht gestattet. Das Pflanzen essbare Pflanzen, wie etwa Gemüse, ist erlaubt, wird allerdings aus gesundheitlichen und hygienischen Gründen abgeraten. Stadtteilgärtner*innen treffen gemeinsam mit der GB* eine Vereinbarung zur Baumscheibenbepflanzung. Die Verfügbarkeit der gewünschten Baumscheibe wird geprüft bevor dann gemeinsam die Gestaltungsideen besprochen werden.

Es sollen ökologische Anbaumethoden ohne chemischen Pflanzendünger angewandt werden. Es wird lediglich die oberste Bodenschicht der Baumscheibe gelockert und zusätzlich Kompost zugeführt. Im Frühling eignen sich besonders Zwiebelpflanzen wie Narzissen oder Tulpen; für schattige Standorte eignen sich Farne oder Funkien und für sonnigere Standorten Lavendel oder Ziergräser. Wenn auch noch so klein, Baumscheiben bieten relevante Lebensräume für Pflanzen sowie Insekten, Bienen und Schmetterlinge. Dementsprechend leisten sie, wenn auch im geringem Ausmaß, einen Beitrag zur Biodiversitätsförderung. 

Soziales
Die Baumscheiben werden über eine Art Patenschaft organisiert. Die Baumscheiben befinden sich ausschließlich im öffentlichen Raum und stehen somit Allen offen. Als kleine Ruhe Oasen mitten in der Stadt  laden sie Passant*innen zum Innehalten ein und bilden somit einen potentiellen Ort der Begegnung. Jede*r Bewohner*in kann sich am Projekt Garteln ums Eck beteiligen. Dabei gilt es lediglich Kontakt mit der GB* aufzunehmen, wobei in einem weiteren Schritt die Verfügbarkeit der gewünschten Baumscheibe geprüft und weitere Gestaltungsvereinbarungen getroffen werden. Über soziale Medien und die Website der GB* werden Informationen bezüglich der Bepflanzung von Baumscheiben für Interessierte zur Verfügung gestellt. Richtlinien und relevantes know-how werden zusätzlich in Form von persönlichen Gesprächen und Workshops angeboten. 

Kosten & Erträge
Die Übernahme einer Baumscheibe ist kostenfrei. Die Kosten für die Pflanzen/Saatgut trägt die Pat*in. Bisher wurden die meisten Baumscheiben mit Zierpflanzen wie etwa Blumen oder Sträuchern bepflanzt, wobei keine Ernte gegeben war.  Die Ernte einzelner Gemüsepflanzen gilt theoretisch der Selbstversorgung der jeweiligen Stadtteilgärtner*in, wobei im öffentlichen Raum oftmals keine Garantie für die eigene Ernte gegeben ist. Die Bepflanzung öffentlich zugänglicher Flächen birgt immer auch das Potential für Vandalismus. Seitens der GB* wird aufgrund von Schadstoffbelastung durch Feinstaub abgeraten, Obst oder Gemüse in den Baumscheiben anzupflanzen.  

Rechtliches
Da es sich bei Garteln ums Eck um öffentlich bepflanzte Flächen handelt, wird die Nutzungsvereinbarung mit der GB*, der MA 42- Wiener Stadtgärten und der MA 28 abgeschlossen. 

Beispiel 2 – Incredible Edible Todmorden

Bild: Incredible Edible Todmorden

Link: www.incredible-edible-todmorden.co.uk/projects 
Laufzeit: seit 2007

Kurzbeschreibung: Incredible Edible Todmorden ist Teil einer weitreichenden Bottom-up Initiative, wobei öffentliche Flächen der englischen Kleinstadt Todmorden in öffentliche Beete und Gärten verwandelt werden. Gemüse, Obst und Kräuter werden öffentlich angebaut und stehen somit Allen zur freien Entnahme zur Verfügung. Die Vision von Incredible Edible Todmorden ist es, die Kommune in Richtung Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu entwickeln und damit die regionale Wirtschaft zu beleben.

Entstehungsgeschichte: Pam Warhurst und Mary Clear haben 2007 die Initiative Incredible Edible Todmorden gegründet. Zusammen mit Freunden und Gleichgesinnten sammelten sie Ideen und Wünsche für die Zukunft ihrer Stadt. Daraufhin begannen sie, öffentliche Flächen der Stadt zu bepflanzen und somit ein Zeichen für eine verbundene Gemeinschaft zu setzen. Innerhalb kürzester Zeit fand das Projekt großen Zuspruch seitens der Bewohner*innen und der Stadtpolitik. Ausgehend von Incredible Edible Todmorden hat sich mittlerweile eine weitreichende Initiative mit Standpunkten im gesamten Vereinigten Königreich entwickelt, nämlich das Incredible Edible Network

Zielsetzungen: Die Gründerinnen Pam Warhurst und Mary Clear verfolgten die Absicht mittels der Aktion globale Herausforderungen wie etwa den Klimawandel lokal anzugehen. Ziel ist es, mit dem Fokus auf Ernährung und gemeinschaftliche Gartenarbeit die Stadt nachhaltig umzugestalten und die Gemeinschaft zu stärken. 

Ort & Raum
Der Anbau von Obst, Gemüse und Kräutern verteilt sich über die gesamte Stadt. Davon an ganz unterschiedlichen Orten wie beispielsweise ein Kräutergarten beim Gesundheitszentrum, zwischen Parkplatz und Kanal. Oder etwa beim Bahnhof, zwischen Parkplatz und Bahngleis. Auch die Fläche vor der Polizeistation wird bepflanzt; es gibt noch zahlreiche weitere Standorte mit vielfältigen räumlichen Aspekten (siehe Webseite). Dementsprechend unterschiedlich ist die jeweils vorhandene Infrastruktur.

Anbau und Ökologie
Im Rahmen von Incredible Edible Todmorden werden unterschiedlichste Kulturen angebaut. Verschiedenste Gemüse- und Obstsorten, Nuss- und Beerensträucher, sowie vielfältige Kräuter Variationen werden in der gesamten Stadt angebaut. Bei der lokalen Lebensmittelproduktion im urbanen Raum wird vor allem darauf geachtet, lokale Sorten und Raritäten anzubauen, um so ein Bewusstsein für die Artenvielfalt zu fördern. Die gesamten öffentliche Beete und Gärten werden gemeinsam von Interessierten Stadtbewohner*innen gepflegt. Dabei kommen lediglich ökologische Anbaumethoden von Gemüse, Obst, Beeren und Kräutern zur Verwendung. Auf Zusatz von Spritzmitteln und chemischen Dünger wird verzichtet. Bestäuberfreundliche Gärten, wie etwa Aromagärten oder Wildblumenbeete, leisten einen großen Beitrag zur Biodiversität, da sie ein wichtiges Habitat für Bienen und Insekten bieten. 

Soziales 
Die Initiative Incredible Edible Todmorden wird als Gemeinschafts- und Hilfsverein betrieben. Jede*r hat die Möglichkeit sich der Initiative anzuschließen und Teil der Gemeinschaftsbildung zu werden. Dies geschieht ganz ohne Mitgliedsbeitrag, sonder lediglich über gemeinsames Interesse und Engagement. Interessierte können sich ehrenamtlich an der Initiative beteiligen oder etwa eine eigen Initiative starten.Durch gemeinschaftliche Garten- und Projektarbeit kann Wissen generiert und somit ausgetauscht werden, was wiederum zur Bildungsvermittlung beiträgt. Außerdem werden Menschen im Rahmen von Vorträgen oder Touren über gesunde Ernährung und lokale städtische Nahrungsmittelproduktion informiert und dadurch für das Potenzial Essbarer Landschaften und deren vielfältigen Umsetzungsmöglichkeiten sensibilisiert. Ein weiterer Fokus liegt auf Schulen und der Bildung von Kindern und Jugendlichen.

Ökonomisches
Das Projekt Incredible Edible Todmorden wird ausschließlich über Spendengelder finanziert. Zusätzlich wird Einkommen mittels Gebühren für die Teilnahme an Vorträgen oder Touren generiert. Das gesamte Projekt wird hauptsächlich von Freiwilligenarbeit getragen- es gibt keine bezahlten Mitarbeiter*innen und keine Förderungen seitens institutioneller Einrichtungen. Da es sich ausschließlich um öffentliche Beete und Gärten handelt, steht die Ernte Allen frei zur Verfügung. Dementsprechend steht die Selbstversorgung der Stadtbewohner*innen im Vordergrund. Ein Teil der Ernte wird zudem für bestimmte Veranstaltungen verwendet, etwa gemeinsame Koch- und Haltbarmach- Events. 

Rechtliches
Die Beete befinden sich auf öffentlichen Flächen der Stadt Todmorden und halböffentlichen Flächen von Institutionen. Sie wurden zu Beginn ohne zu fragen bepflanzt. Die Aktivis*innen sprachen allerdings nicht von Guerilla Gardening sondern von Propaganda Gardening und legten wert auf größtmögliche Sichtbarkeit. Die Aktionen wurden von der Stadt stillschweigend geduldet. Mittlerweile gibt es Absprachen mit mehreren Institutionen, wie Schulen und Gesundheitszentrum.

Beispiel 3 – Essbare Stadt Andernach (Dt)

Bild: Essbares Andernach 2020

Link: https://www.andernach.de/stadt/essbare-stadt 
Laufzeit: seit 2007

Kurzbeschreibung: Die Essbare Stadt Andernach strebt nach neuen Nutzungsmöglichkeiten für den öffentlichen Raum, hierbei werden vor allem ‘essbare’ Lösungen angestrebt.  Außerdem werden Bürger*innen motiviert sich für den Lebensraum in der eigenen Stadt einzusetzen. Öffentliche Freiflächen werden demnach von Wildblumenbeeten, Obst- und Gemüsepflanzen, sowie Kräuterbeeten in Aktionsräume für Bürger*innen verwandelt. Jede*r darf die Beete betreten und die Pflanzen ernten. Am Stadtrand von Andernach wurde zusätzlich ein 14 Hektar großes Gelände zu einer öffentlichen Permakultur- Anlage umgestaltet. 

Entstehungsgeschichte: Das Konzept Essbare Stadt Andernach wurde im Jahr 2007 von der Stadtverwaltung Andernach ins Leben gerufen und seither wurde die kommunale Grünplanung ohne Mehrkosten nachhaltig umgestaltet. Das Konzept der Essbare Stadt Andernach zeugt von großem Erfolg: An der historischen Stadtmauer wachsen mittlerweile Kartoffeln, Zucchini, Grünkohl und Hopfen. Der Burggraben wurde zu einem Mini- Weinberg umfunktioniert und die Verkehrsinseln in Staudenbeete verwandelt. 

Zielsetzungen: Das Projekt Essbare Stadt Andernach verfolgt nicht nur ökologischen Ziele, sondern auch soziale: mit dem ökologischen Obst- und Gemüseanbau werden etwa sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose geschaffen. Zudem können Stadtbewohner*innen das Gelände zur Umweltbildung und Naherholung nutzen. Es werden außerdem wirtschaftliche Ziele verfolgt, wobei die lokal produzierten Lebensmittel in einem Laden in der Stadt verkauft werden. 

Ort & Raum
Das Projekt erstreckt sich über das gesamte Stadtgebiet mit unzähligen Beeten und Gärten. Zudem gibt es am Stadtrand eine 14 Hektar große Fläche, die sich der Permakultur widmet. Die Stadtverwaltung ist für die Infrastruktur, Planung und Umsetzung verantwortlich. 

Anbau und Ökologie
Es werden vielfältige Gemüsesorten wie Karotten und Bohnen, Obstsorten, Beerensorten, Küchenkräuter oder Schnittpflanzen werden in den öffentlichen Grünanlagen der Stadt angepflanzt. Jedes Jahr steht eine neue Gemüse- oder Obstsorte im Fokus- bisher wurden schon etwa 100 verschiedene Bohnensorten gepflanzt. Die Grünflächen werden durch die Perspektiven GmbH bepflanzt und gepflegt. In dieser arbeiten von Langzeitarbeitslose mit Unterstützung von professionellen Gärtner*innen zusammen. Es werden ökologische Anbaumethoden verfolgt und in einem bestimmten Gelände werden ausschließlich Methoden und Prinzipien der Permakultur angewandt. Das Projekt fördert insbesondere den Anbau von regionalen und seltenen Sorten und stärkt damit die Diversität an Lebensmitteln im urbanen Raum. Die Essbare Stadt Andernach bietet nicht nur Pflanzen, sondern auch Tieren eine Heimat. Im Graben des Schlossgartens werden Hühner und Schafe gehalten, was weniger der Biodiversitätsförderung dient, als vielmehr einem ganzheitlichen Zusammenleben von Mensch und Tier. Wildblumenbeete bieten zudem einen wichtigen Lebensraum für Insekten und Bienen.

Soziales 
Das Projekt wird über die Kommunale Grünplanung der Stadtverwaltung von Andernach organisiert. Die zahlreichen Beete und Gärten im öffentlichen Raum bilden wichtige Orte der Begegnung zwischen Stadtbewohner*innen und Besucher*innen. Die Beete sind frei zugänglich und laden Bürger*innen zum Pflücken und Ernten ein. Langfristig sollen über Beetpatenschaften auch Bürger*innen in die Pflege eingebunden werden. Um insbesondere junge Einwohner*innen der Stadt in das Projekt zu integrieren, wurde eine ‘fahrbarer Schulgarten’ entwickelt, der je nach Bedarf an Schulen und Kindergärten aufgestellt werden kann, um die Beteiligung junger Menschen zu fördern.

Der ‘fahrbare Schulgarten’ dient der Bildungs- und Wissensvermittlung bezüglich Obst- und Gemüseanbaus im urbanen Raum. Dabei werden Schüler*innen bereits im frühen Altern für Themen der lokalen und nachhaltigen Lebensmittelproduktion sensibilisiert. Außerdem werden die Flächen vor allem von Langzeitarbeitslosen unter Anleitung professioneller Gärtner*innen betreut. Dabei ist die Perspektive GmbH, die örtliche Gesellschaft für Bildung, Qualifizierung und Integration von Langzeitarbeitslosen wegweisend. Die Stadt bietet auch Führungen durch die Essbare Stadt an, wobei Teilnehmer*innen ausführlich über das Konzept informiert werden. 

Ökonomisches
Finanziert wird das Projekt Essbare Stadt Andernach von der Stadt Andernach. Die Ernte steht Allen zur freien Entnahme zur Verfügung. Dementsprechend darf Jede*r die Beete und Gärten sowohl nutzen, als auch von ihnen pflücken. Der Großteil der Ernte wird in einem Laden in der Stadt zum Verkauf angeboten. 

Rechtliches
Die Beete befinden sich auf öffentlichen Flächen der Stadt Andernach und stehen allen Bürger*innen offen.

Beispiel 4 – Grätzlbeet 2019 (Wien/ Ö)

Bild: Christoph Liebentritt

Link: www.graetzloase.at/aktionen-2019.html 
Laufzeit: 2019

Kurzbeschreibung: Das Grätzlbeet 2019 befindet sich in der Margaretenstraße im fünften Wiener Gemeindebezirk und ist eine Aktion der Initiative Grätzloase. Es ist eine kleine Oase mitten im urbanen Raum, die mit den vielfältigen Kräuterbeeten und Sitzgelegenheiten die Öffentlichkeit bereichert. Das Grätzlbeet lädt Bewohner*innen und Passant*innen zum Verweilen ein und haucht somit buntes Leben in den Straßenraum ein. Es eignet sich somit nicht nur zum Naschen, sondern auch als Treffpunkt für die Nachbarschaft. 

Entstehungsgeschichte: Das Grätzlbeet entstand im Frühjahr 2018 als Initiative des Neunerhaus- einer sozialen Einrichtung im Rahmen des Förderprogramms Grätzloase. Von Anfang April bis Mitte November soll der zum Aufenthaltsort umfunktionierte Parkplatz (kurz Parklet) den Straßenraum, vor allem aber die Nachbarschaft bereichern. Zudem ist das Grätzlbeet öffentlich zugänglich und die Kräuter sind zum Pflücken für alle da.

Zielsetzungen: Ziel der Initiative ist es, den öffentlichen urbanen Raum zu beleben und die Beteiligung von Bürger*innen an der ökologischen, ökonomischen und sozialen Entwicklung der Stadt zu fördern. Das Aktionsprogramm der Grätzloase zeigt, wie der Platz direkt ums Eck oder vor der Haustüre vielfältig bespielt werden kann. Das Grätzlbeet stellt ein konkretes Beispiel dar, wie man mehr Leben auf die Straße und die Menschen im Grätzl zusammenbringen kann. 

Ort & Raum
Wie das Grätzlbeet zeigt, kann bereits auf kleinstem Raum ein Ort der Begegnung und Begrünung entstehen und der urbane Raum neu angeeignet werden. Beim Grätzlbeet auf der Margaretenstraße handelt es sich um ein Parklet, das die Größe zweier Parkplätze aufweist. Die vorhandene Infrastruktur besteht aus den Holz gefertigten Kräuterbeeten und einigen Tischen mit Stühlen, an denen etwa mitgebrachtes Essen mit frisch gepflückten Kräutern verfeinert werden kann. 

Anbau und Ökologie
Im Grätzlbeet wachsen ausschließlich Kräuter, die zum Pflücken für die Öffentlichkeit gedacht sind. Es gibt unterschiedliche Kräutersorten, wie etwa Schnittlauch, Basilikum und Petersilie. Kümmern kann und darf sich jede*r, der/die am Grätzlbeet vorbeikommt. Die notwendige Pflege hält sich in Grenzen, da die Pflanzen ausschließlich gewässert werden müssen. Auf Unkrautjäten kann verzichtet werden. Die Kräuter werden biologisch angebaut und der Zusatz von Spritzmitteln und Kunstdünger wird abgelehnt. Die Biodiversitätsförderung steht in diesem Projekt nicht im Vordergrund. Vielmehr geht es darum, einen Beitrag zur Bürger*innenbeteiligung in der Stadt zu schaffen.

Soziales
Das Grätzlbeet soll als vielfältige, bunte Oase in der Stadt dienen und den urbanen Raum auf neue Weise bespielen. Die Aktion lädt ein, den Freiraum temporär auf innovative Weise zu nutzen. Somit können vielfältige Begegnungsmöglichkeiten zwischen den Klient*innen und Besucher*innen der sozialen Einrichtung und anderen Stadtbewohner*innen geschaffen werden. Anhand der vielfältigen Aktionen wie auch dem Grätzlbeet können theoretische Konzepte wie etwa das Recht auf Stadt in die Praxis umgesetzt werden, wobei Beteiligte dazu ermächtigt werden, ihr Wohnumfeld selbst zu bestimmen und sich in die Stadtentwicklung einzubringen. Dies leistet einen wichtigen Bildungsbeitrag und fördert zudem den Austausch von Ideen und Wissen zwischen Bürger*innen. 

Ökonomisches
Das Grätzlbeet wurde über die Förderschiene Grätzloase der Lokalen Agenda 21 Wien finanziert. Für die Umsetzung von Aktionen werden bis zu 4.000 Euro vergeben.. Zudem unterstützt die Grätzloase Initiator*innen mit fachlicher Beratung hinsichtlich Projektentwicklung und Genehmigung, ebenso wie bei der Bewerbung der Aktion. Die Kräuter sind für Alle zum Pflücken und Naschen gedacht. Dabei geht es weniger darum, einen nennenswerten Beitrag zur Ernährung zu leisten, als vielmehr um den ideellen Beitrag, nämlich den öffentlichen Raum gemeinsam neu anzueignen. 

Rechtliches
Nutzungsvereinbarung mit der Stadt Wien, da es sich um den öffentlichen Raum bzw. öffentliche  Flächen handelt

Quellen:

Bzfe – Bundeszentrum für Ernährung (2020): “Essbare Stadt” Andernach – Urbaner Gartenbau als Städtisches Projekt, online unter: https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/staedte-essbar-machen/essbare-stadt-andernach/

GB* (Gebietsbetreuung Stern): Garteln um’s Eck, online unter  https://www.gbstern.at/themen-projekte/urbanes-garteln/garteln-ums-eck/ 

Incredible edible Todmorden:  Website der essbaren Stadt Todmorden www.incredible-edible-todmorden.co.uk/projects 

Jauschneg, M.; Gruber, S.; Luger, S.; Erdmann, M. (2015): Primärproduktive Stadt-Landschaft – Ziele, Strategiefelder und Aktionsplan für Wien

Müller, Ch. (2009): die neuen Gärten in der Stadt In: Kaestle, Thomas (Hg.): Mind the Park. Planungsräume. Nutzersichten. Kunstvorfälle, S. 84-89, Oldenburg

Stadtverwaltung Andernach: Die “essbare Stadt” Andernach, online unter https://www.andernach.de/stadt/essbare-stadt