Naturnahes Grün

Bunte Hecken, ungemähte Wiesen oder blumenübersäte Randstreifen bringen Artenvielfalt und natürliche Ästhetik in Stadträume. Naturnahe Grünräume in der Stadt

sind nach wie vor eher die Ausnahme als die Regel. Dennoch gibt es von vielen Städten und Gemeinden bereits Initiativen und Ansätze, den öffentlichen Raum naturnah umzugestalten. Mischhecken aus heimischen Gehölzen, selten gemähte Wiesen mit hoher Artenvielfalt, natürliche Säume am Stadtwäldchen, Waldstücke die der Natur überlassen werden, Streuobstwiesen mit verschiedenen Obstsorten, Blumenrabatten mit heimischen, mehrjährigen Pflanzen statt 3 Mal jährlich wechselnder Bepflanzungen, kleine Blühstreifen aus Wildblumenmischungen zwischen den Fahrspuren oder in der Mitte des Kreisverkehrs – naturnahe Grünräume nehmen vielfältige Formen an. Auch in halböffentlichen Räumen gibt es bereits Initiativen und Anreize. Von kleinen Flächen im Straßenbegleitgrün bis zu großen Grünflächen in Parks und Siedlungen mit mehreren 1000 m² können alle Flächen naturnah begrünt werden. Die Flächen sind meist nicht mit Zäunen abgegrenzt. Neben der positiven Umweltauswirkungen können bei extensiven Flächen auch Pflegekosten gespart werden.

Die Pflanzenauswahl ist entscheidend für naturnahe Grünräume. Es sollen heimische, Pflanzen gewählt werden, die an den Standort angepasst sind und daher möglichst wenig Pflege brauchen. (Knoll u Dopheide, 2018) Auch die Zielsetzung beeinflusst die Auswahl der Pflanzen: Geht es in erster Linie um Reduktion des Pflegeaufwands, soll eine optisch besonders attraktive Bepflanzung für den Menschen entstehen oder steht die Förderung der Biodiversität im Vordergrund? In einigen Beispielen hat sich das Prinzip „wachsen lassen“ bewährt. Die bereits vorhandene Vegetation wird dann zur Wiese oder es kommen Pflanzen auf, die sonst immer entfernt wurden. Für einige Pflanzengesellschaften, wie Magerwiesen muss das Substrat entweder vor der Aussaat durch mageres Substrat ersetzt oder im Laufe der Zeit durch Abtransport des Mähguts abgemagert werden.

Besonders relevant sind die Pflegemaßnahmen solcher Flächen. Pflegekonzepte müssen an die Vegetationstypen und Zielsetzungen angepasst werden. So werden z.B. Wiesen und Schotterrasen viel seltener gemäht als herkömmliche Rasen. Dafür müssen invasive Arten und unerwünschter Baumaufwuchs manuell entfernt werden, Mähgut muss in einigen Fällen abtransportiert werden. Auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Düngemitteln und Pestiziden wird verzichtet. Naturnahe Grünflächen punkten vor allem im Bereich Biodiversität. Während in einer klassischen Saatgutmischung für einen Rasen einige wenige Gräserarten (4-5) vertreten sind, kommen in einer Magerwiese neben einigen Gräsern 30 -150 Blumen- und Kräuterarten vor (Land NÖ, 2014). Im Gegensatz zu artenarmen Rasen bieten Wiesen, Streuobstwiesen und Wildobsthecken ein großes Nahrungsangebot und vielfältige Lebensräume für Insekten, Spinnen, Vögel und Kleinsäugetiere. So wurden in Weißdornhecken bis zu 150 Tierarten gezählt (die Umweltberatung Wien, 2010)

Auch wenn nicht alle Flächen für die Nutzung durch Menschen geeignet sind bleiben sie meist für die bisherigen Nutzer*innen zugänglich. Allerdings ist die Bepflanzung, z.B. bei extensiven Wiesen, nicht immer darauf ausgerichtet, betreten oder intensiv genutzt zu werden. Andere, wie naturnahe Naschhecken laden wiederum explizit dazu ein, genutzt zu werden. Unterschiedliche Flächengestaltungen, die den verschiedenen Ansprüchen genügen, sind hier wesentlich. Die Flächen werden im öffentlichen Raum meist von den zuständigen Gemeindestellen angelegt und gepflegt. In Wohnhausanlagen sind die jeweiligen Hauseigentümer*innen oder Hausverwaltungen zuständig. Aber auch Bewohner*innen können sich in die Gestaltung und Pflege des Freiraums einbringen. Bei diesem Baustein stehen Produktivität und Ernte nicht im Vordergrund, auch wenn in manchen Beispielen etwas zu ernten ist. Effekte wie erhöhtes Nützlingsaufkommen und positive Veränderung des Kleinklimas können sich ertragssteigernd auf angrenzende Anbauflächen auswirken.

Je nachdem, ob Flächen neu angelegt werden und dafür Substrat ausgetauscht werden muss, ob Neupflanzungen erfolgen oder nur die Pflege bestehender Flächen umgestellt wird fallen bei der Errichtung sehr hohe bis keine zusätzlichen Kosten an. Die Pflegekosten können ähnlich hoch sein wie in konventionell gestalteten Grünräumen oder auch deutlich darunter liegen (Knoll u Dopheide, 2018). Die Rahmenbedingungen sind stark an die Eigentumsverhältnisse der Fläche geknüpft. Weiters stellen sich Fragen der Haftung und der Verkehrssicherheit.

Beispiel 1 – Park am Gleisdreieck (Berlin /D)

Bild: landrefresh.wordpress.com

Link: https://gruen-berlin.de/park-am-gleisdreieck/ueber-den-park
Läuft: seit 2013

Kurzbeschreibung: Der Park am Gleisdreieck Berlin besteht aus Freizeitanlagen wie Liegewiesen und Spielplätzen und naturbelassenen Zonen, vor allem im Flaschenhals und im Nord-Süd-Grünzug.

Entstehungsgeschichte: Der Park am Gleisdreieck liegt auf einem ehemaligen Bahnareal, das bereits ab 1945 nicht mehr genutzt wurde und sich zu einer Brache entwickelte. Der Park entstand nachdem Bürger*innen sich immer wieder gegen diverse Bauvorhaben gestellt hatten und die Fläche als notwendigen Grünraum im Quartier reklamierten. Die Parkanlage wurde unter intensiver Einbeziehung der Bürger*innen geplant. Seit der Fertigstellung gibt es einen Nutzer*innenbeirat, der die Interessen der Nutzer*innen und Anrainer*innen gegenüber der Stadt vertritt.

Zielsetzungen: Ein Freiraum, der den Bedürfnissen unterschiedlicher Zielgruppen gerecht wird und Teile der davor bestehenden Stadtwildnis erhält und einbezieht. Platz für Bewegung und Aktivität sowie für Ruhe Entspannung und Naturgenuss. Erholungsnutzung und Naturschutz sollen in Einklang gebracht werden.

Ort und Raum        
Die aus Ost- und Westpark sowie Flaschenhalspark bestehende Parkfläche erstreckt sich auf einer Fläche von ca.32 ha entlang der U-Bahn- und S-Bahn-Strecken zwischen Berlin Mitte und Berlin Schöneberg. Neben den zahlreichen Sportanlagen, Kinderspielplätzen und Kiosken gibt es die Stadtwildnis, Wäldchen, Gleiswildnisflächen auf den ehemaligen Gleisanlagen, Ruderalflächen, die als Ökoschotter bezeichnet werden, 2 Naturerfahrungsräume (weitgehend naturbelassene Flächen, deren Mulden im Sommer mit Wasser gefüllt werden und zum Spielen und Planschen einladen sollen) sowie 16 Schrebergartenparzellen und einen Gemeinschaftsgarten.

Soziales
Der Park wird als öffentlicher Park geführt und ist ganzjährig für alle Nutzer*innen offen. Für den Gemeinschaftsgarten und die Gartenparzellen gelten gesonderte Nutzungsmöglichkeiten und -bedingungen. Der Nutzer*innenbeirat besteht aus 10 Personen, die die Interessen der Nachbarschaft und der Zivilgesellschaft bei allen Entscheidungen rund um Parkgestaltung und Nutzung vertreten.

Anbau und Ökologie
Während für intensiv genutzte Flächen (Spiel, Sport und Liegewieseflächen) Rasen angelegt wurde, sind auf den restlichen Flächen unterschiedliche Wiesentypen, Säume, Brachflächen und Wäldchen zu finden. Es wurde ein entsprechendes abgestuftes Pflegekonzept erarbeitet. Normale Wiesen werden 2 Mal in der Saison gemäht, Winterwiesen werden über den Winter stehen gelassen um Lebensräume zum Überwintern zu schaffen und erst im Frühjahr gemäht. Säume werden einmal jährlich gemäht. Um Brachflächen zu erhalten, werden diese alle ein bis zwei Jahre gemäht. Auf den als Ökoschotter bezeichneten Ruderalflächen werden der Baumaufwuchs und invasive Arten regelmäßig entfernt. In den als Wäldchen definierten Flächen wird die Sukzession gesteuert zugelassen, invasive Arten werden entfernt und andere gepflanzt. Am gesamten Areal wurden Vegetationsinseln mit lichten oder dichten Gehölzstrukturen geschaffen um vielfältige Strukturen und Lebensräume zu fördern.

Ökonomisches
Die Errichtungskosten von Ost- und Westpark waren mit 18 Millionen Euro veranschlagt. Die Finanzierung erfolgte durch ein Eisenbahnunternehmen und eine Immobilienfirma im Rahmen von Ersatzmaßnahmen. (wikipedia.org)

Rechtliches
Der Park wurde von der GrünBerlin GmbH, einer 100%-Tochter der Stadt Berlin, errichtet und wird von dieser gepflegt. Die Nutzung ist für alle offen und kostenlos.

Beispiel 2 – Pionieroase – nachhaltige Grünraumgestaltung einer Wohnhausanlage (Wien/ Ö)

Bild: Gartenpolylog 2020

Link: nachhaltig.at/pionier-oase
Läuft: seit 2017

Kurzbeschreibung: In der Pioniersiedlung in Wien Favoriten werden die Grünräume Schritt für Schritt in naturnahe Wiesen verwandelt und naturnahe Elemente wie wilde Ecken, Benjeshecken und Totholzhaufen geschaffen. Die Gestaltung wird von Bewohner*innen übernommen, die Pflege in Kooperation mit einem sozial-ökonomischen Betrieb durchgeführt.

Entstehungsgeschichte: Die Hausverwaltung hat Ende 2016 in einem Rundschreiben gefragt, ob es Bewohner*innen gibt, die an Urban Gardening interessiert sind. Daraufhin haben sich 12 Personen gemeldet, die gemeinsam einen Gemeinschaftsgarten gegründet haben. Dies war die Keimzelle für die Umgestaltung des gesamten Grünraums. Die Gärtner*innen fragten sich, warum nur der Garten ökologisch bewirtschaftet werden sollte und hatten ein gemeinsames Feindbild in Laubbläsern und zu oft geschnittenem Rasen. Die Hausverwaltung signalisierte Bereitschaft für Veränderungen und nach eingehenden Beratungen und Begehungen wurde mit Unterstützung der Umweltberatung und der MA 42 und 22 ein Konzept und ein Plan für einen naturnahen Grünraum ausgearbeitet. Mit dem sozialökonomischen Betrieb Haus aktiv war ein Partner gefunden, der bereit war sich auf eine neue Art der Grünraumpflege einzulassen.

Zielsetzungen: In der Pionieroase soll ein nachhaltiger Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen geschaffen und so ein aktiver Beitrag zu Klimaschutz, Artenvielfalt und Gesundheit geleistet werden. Gleichzeitig soll die Pionieroase aufzeigen, dass naturnahe Grünraumbewirtschaftung in Wohnhausanlagen möglich ist.

Ort und Raum         
Der Grünraum der Pioniersiedlung hat eine Gesamtfläche von 11.000 m². Es gibt einige Naschhecken, Wiesen, die nur 1-2x pro Jahr gemäht werden, Beerenfelder, wilde Ecken, eine Benjeshecke, einige Totholzhaufen, Insektenhotels, eine Blumenwiese und einen 300 m² großen Gemeinschaftsgarten. Regenwassertonnen an den Dachrinnen und ein Kompost erleichtern die Bewirtschaftung der Fläche, Beschilderungen erklären die einzelnen Elemente. Was fehlt, ist ein Platz, an dem Material gelagert und gewerkt werden kann – eine Art Bauhof.

Soziales
In der Pionieroase gibt es keine fixe Struktur, die Gruppe befindet sich in einem Lernprozess. Wichtig ist das gute Zusammenspiel vieler Beteiligter: Ein Kernteam aus 5-6 Personen, treibt die Entwicklungen voran und pflegt intensive Kontakte zu Hausverwaltung und Mieter*innen. Einer der Hauptinitiator*innen ist täglich in der Anlage unterwegs. Die Hausverwaltung lässt dem Kernteam weitgehend freie Hand und steht hinter dem Projekt. Die Hausbetreuungsfirma, die die Pflege übernommen hat, setzt auch selbst Initiativen. Der Mieter*innenbeirat übernimmt die Kommunikation mit den Mieter*innen. Alle Bewohner*innen können mitmachen. Es gibt die Möglichkeit kleine Flächen in der Anlage zu bepflanzen und zu pflegen oder sich bei den verschiedenen naturnahen Elementen in der Umsetzung und Pflege zu engagieren. In der Zeit der Umstellung gab es Postwurfsendungen zur Information und viele Mieter*innentreffen, wo die Leute ihre Meinung und ihre Wünsche einbringen konnten. Das gewonnene Wissen wird durch Führungen für Schulklassen und Interessierte weitergegeben. Die Bewohner*innen und Besucher*innen werden über Schilder informiert, die das Wesen und den Nutzen der einzelnen Elemente darstellen. 

Anbau und Ökologie
Die gesamte Fläche wird nach biologischen und ökologischen Kriterien bewirtschaftet und gepflegt. Es wurden zahlreiche Lebensräume für Insekten und Kleintiere etabliert. Die Wiesen werden hoch wachsen gelassen und erst dann gemäht. Die Ränder werden kurz gehalten, damit klar ist, dass die hohe Wiese Absicht ist. Der tatsächliche Pflegeaufwand lässt sich noch nicht beziffern, da es sich um einen gemeinschaftlichen Lernprozess handelt und die Pflegefirma auf den Flächen viele Dinge ausprobiert.

Ökonomisches
Die Kosten für die Grünraumpflege sind etwas niedriger als vor der Umstellung, was in erster Linie dem ehrenamtlichen Engagement der Mieter*innen und dem flexiblen Zugang der Betreuungsfirma zu verdanken ist.. Die Grünraumpflege wird nach wie vor aus den Betriebskosten der Mieter*innen bezahlt.

Rechtliches
Die Fläche gehört der Genossenschaft und es wird von der Hausverwaltung bestimmt, welches Pflegekonzept dort umgesetzt wird. Schwierigkeiten gab es beim Finden einer Pflegefirma, die bereit ist, ihre Pflegemaßnahmen zu ändern und flexibel auf die Gegebenheiten in der Anlage zu reagieren. Die meisten Firmen haben starre Pflegekonzepte, nach denen zu fixen Terminen bestimmte Arbeiten verrichtet werden ohne Rücksicht darauf, ob diese notwendig oder sinnvoll sind.

Beispiel 3 – Gürtelwiesen (Wien/ Ö)

Bild: wien.gv.at

Link: https://www.wien.gv.at/umweltschutz/naturschutz/biotop/naturvielfalt-margareten.html
Läuft: seit 2006

Kurzbeschreibung: Im Rahmen des Netzwerks Natur wurden einige Flächen am Wiener Margareten- und Mariahilfergürtel von Rasen in naturnahe, artenreiche Wiesen und Staudenflächen umgewandelt.

Entstehungsgeschichte: Im Jahr 2006 sollte der Mittelstreifen am Margaretner Gürtel ökologisch aufgewertet werden. In Kooperation zwischen MA 22, MA 42 und BOKU wurde ein Konzept ausgearbeitet und umgesetzt. Insgesamt wurden 8 Teilflächen neu gestaltet und bepflanzt. Als Folgeprojekt wurden am Mariahilfer Gürtel zwei weitere Flächen südlich des Westbahnhofs ökologisiert. Dabei konnten die Erfahrungen am Margaretner Gürtel bereits berücksichtigt werden.

Zielsetzungen: Mehr Platz für Natur in innerstädtischen Bezirken war das Motto der Umwandlungen von Rasen in Wiese. Es sollten artenreiche Pflanzengemeinschaften etabliert werden, die auch Lebensräume für eine vielfältige Fauna bieten.

Ort und Raum    
Die Wiesenflächen bestehen aus zwei Teilflächen mit insgesamt 800 m² am Mariahilfergürtel und mehreren Teilflächen am insgesamt ca. 23.000m² großen Areal am Margaretengürtel zwischen Schönrunner Straße und Siebenbrunnengasse. Am Margaretengürtel wurden 3 Wiesenflächen, 1 Schmetterlingsfläche, 1 Staudenbeet, eine Schattenfläche, 3 Brennesselsäume und eine Fläche mit Geophyten angelegt.

Soziales
Die Wiesen wurden als Kooperation zwischen den jeweiligen Bezirken, den zuständigen Magistratsabteilungen (MA 22 und MA 42), der Universität für Bodenkultur und dem Netzwerk Natur geplant und umgesetzt. Die Wiesen sind frei zugänglich und werden nach wie vor als Freiraum genutzt. Das Betreten der Wiesen steht jedoch im Widerspruch zur Erhaltung einer artenreichen Wiese. Viele Arten sind nicht trittresistent und verschwinden bei zu starker Nutzung. Dem muss mit gezielten Pflegemaßnahmen (siehe unten) begegnet werden. Die Flächen sind mit Tafeln gekennzeichnet, auf denen die Entwicklung der Wiesen erklärt wird. Zu Beginn wurden die Anwohner*innen über die Umgestaltung per Flugblatt informiert. Junge Erwachsene konnten sich im Rahmen ihres freiwilligen ökologischen Jahres an der Herstellung und Pflege einer Schmetterlingswiese beteiligen. 

Anbau und Ökologie
Die Flächen am Margartengürtel wurden umgebrochen und mit heimischem Saatgut besät bzw, heimische Stauden gepflanzt. Auf den Flächen am Mariahilfergürtel wurde der Boden zur Abmagerung ausgetauscht und dann ebenfalls mit heimischem Saatgut bepflanzt. Die Flächen werden 1-2 Mal jährlich gemäht, das Mähgut abtransportiert, um den Boden abzumagern. Die Randflächen zu den Wegen hin werden weiterhin öfter gemäht um eine Pufferzone zu schaffen. Da sich durch den Nährstoffeintrag konkurrenzstarke Pflanzen stärker vermehren ist es notwendig den Boden immer wieder aufzureißen und mit Sand abzumagern. So finden auch konkurrenzschwächere Pflanzen wieder Raum. Wo der Boden durch Nutzung stark verdichtet wird, entstehen kahle Stellen, die nachgesät werden müssen. Konkurrenzstarke Pflanzen, besonders Neophyten müssen händisch entfernt werden. Um die Biodiversität gezielt zu fördern wurde eine große Vielfalt an heimischen Wiesenpflanzen und Stauden ausgesät. 82 Arten konnten bei einer Begehung festgestellt werden. Durch das abgestufte Mähregime werden immer Rückzugsräume für Tiere stehen gelassen. Mit Flächen wie den Brennesselsäumen und Nektarinseln wurde das Nahrungsangebot speziell für Insekten verbessert.

Ökonomisches
Die Errichtungskosten für ein ca. 350 m² großes Stück Wiese, bei Entfernung der Grasnarbe und Austausch des Substrats, betrugen rund 8.500€. Die Kosten wurden vom Bezirk getragen.

Rechtliches
Die Entscheidung über die Gestaltung der Grünflächen liegt beim jeweiligen Bezirk. Die finanziellen Mittel müssen ebenfalls vom Bezirk zur Verfügung gestellt werden.

Beispiel 4 – Vielfaltshecke zum Naschen (Wien/ Ö)

Bild: Gartenpolylog 2020

Link: https://essbareseestadt.at/2020/03/02/windschutz-und-wildobsthecke/
Läuft: seit 2020

Kurzbeschreibung: Die Vielfaltshecke zum Naschen besteht aus großteils heimischen Sträuchern mit essbaren Früchten. Sie ist eine Umsetzung des Forschungsprojektes  essbare Seestadt und wird in Kooperation mit dem Gemeinschaftsgarten Kraut und Blüten und dem Verein SeestadtGrün gepflegt.

Entstehungsgeschichte: Im Rahmen des Projekts Essbare Seestadt wurde der Wunsch der Bewohner*innen nach Windschutz und mehr öffentlichem Obst deutlich. Als Antwort darauf entstand entlang dem Zaun zum Gemeinschaftsgarten Kraut und Blüten und der Hundezone eine Naschhecke mit Beerensträuchern und Wildobstgehölzen. Zielsetzungen: Die Naschhecke soll ein Vorbild für andere Flächen sein, an denen solche Hecken entstehen können. Sie soll die Bewohner*innen der Seestadt zum Ernten einladen und einen Windschutz für die benachbarten Gartenflächen bilden.

Ort und Raum     
Die Hecke ist 34 m lang und derzeit 2 m breit. In den nächsten 10 Jahren wird sie bis zu 4 m breit werden. Sie besteht aus 21 Sträuchern und 10 Bäumen. Die Vielfaltshecke liegt zwischen den Gemeinschaftsgärten Kraut&Blüten und Seestadtgarten im Süden der Seestadt und ist von beiden Seiten zugänglich und  beerntbar. 

Soziales
Die Hecke wurde im Rahmen der Forschung zur essbaren Seestadt geplant und gemeinsam mit Gärtner*innen und der Bioforschung Austria gepflanzt. Die angrenzenden Gemeinschaftsgärten sind für die Erhaltung und Pflege zuständig. Sie ist für alle frei zugänglich. Jede*r Spaziergänger*in soll in Zukunft kleine Mengen zum Naschen ernten können. Eine Beschilderung der einzelnen Pflanzen ist geplant. 

Anbau und Ökologie   
Kulturen: Himbeeren, Brombeeren, Ribisel, Jostabeeren und Jochelbeere, Felsenbirnen, Rose, Dirndl und Strauch- und Filzkirschen, Mispel, Maulbeeren, verschiedene Pflaumenverwandte, Süßquitte und Azeroldorn. Der Boden wurde gefräst und mit Biodünger und Gartenkompost gedüngt und nach der Pflanzungmit Stroh gemulcht. Künftig soll jährlich 1-2 Mal gemäht, regelmäßig gejätet und mit Mähgut gemulcht werden . In den ersten drei Jahren wird 15 – 5 Mal /Jahr gegossen (in abnehmender Intensität), danach sollte die Hecke ohne gießen auskommen.. Ein Pflegeschnitt ist einmal jährlich erforderlich.Zur Förderung der Biodiversität wurde auf die Auswahl heimischer Pflanzen Wert gelegt. Die Hecke soll Insekten, Vögeln und Säugetieren Nahrungsquelle, Versteck und Nistmöglichkeit bieten und Nützlinge fördern, um das Kleinklima im Gemeinschaftsgarten positiv zu beeinflussen. Schnittgut kann zum Teil in der Hecke verbleiben oder im benachbarten Garten zur Anlage von Totholzelementen verwendet werden. Nisthilfen und Sitzstangen könnten in einem nächsten Schritt die Hecke noch wertvoller für Vögel machen

Ökonomisches
Die Errichtungskosten lagen bei ca. 1000€ für die Pflanzen. Kosten für die Erhaltung fallen kaum an, da die Hecke ehrenamtlich gepflegt wird. Die Pflanzung wurde aus dem Forschungsbudget der essbaren Seestadt finanziert. Beerensträucher werden schon im ersten Jahr beginnen zu tragen, die restlichen Sträucher und Bäume in den kommenden Jahren. Der Ertrag der gesamten Hecke wird im Vollertrag auf 80 kg/Saison geschätzt (Quelle Fibl). Dieser Ertrag ist ab dem 7.-10. Jahr nach der Pflanzung zu erwarten.  Die Ernte soll zum Naschen durch die Öffentlichkeit und als Nahrungsquelle für Vögel und andere Wildtiere Verwendung finden.

Rechtliches
Die Fläche wird von der 3420 zur Verfügung gestellt. Laut Nutzungsvereinbarung muss darauf geachtet werden, dass Bäume, die unter das Wiener Baumschutzgesetz fallen, nicht so groß werden, dass Ersatzpflanzungen notwendig werden. Das heißt, sie müssen entfernt oder auf Stock gesetzt werden bevor sie einen Stammumfang von 40 cm in  1 m Höhe erreichen. 

Quellen:

Bio Forschung Austria (2020): Vielfältige Nutzung von Hecken zur nachhaltigen Produktion, zur Erosionsverminderung und zur Erhöhung der regionalen Wertschöpfung, Eigenverlag, Wien

Knoll, Bente; Dopheide, Ralf (2018): Prinzipien für eine naturnahe, qualitätsvolle Gestaltung und Pflege von Freiräumen im großvolumigen Wohnbau. Empfehlungen für Bauträger und Hausverwaltungen. 1. Auflage. Hg. v. Büro für nachhaltige Kompetenz B-NK GmbH. Wien/Zwingendorf. Online unter: https://www.noe.gv.at/noe/Wohnen-Leben/2222_Freiraum_im_grossv_Wohnbau_Handlungsempfehlungen.pdf Zugriff am 4.12.2020

Land Niederösterreich, Abteilung Umwelt und Energiewirtschaft (2014): Wiesen und Rasen – Ansaat bis zur Wiesenpflege, Natur im Garten, St.Pölten Online unter: https://www.naturimgarten.at/files/content/4.%20GARTENWISSEN/4.3%20Brosch%C3%BCren%20und%20Infobl%C3%A4tter/4.3.6%20Gr%C3%BCnr%C3%A4ume%20pflegen%20&%20gestalten/Wiesen%20&%20Rasen%20-%20Ansaat%20bis%20zur%20Wiesenpflege.pdf Zugriff am 4.12.2020

Markstein, Barbara (2015): Pflegekonzept/Monitoring zum Park auf dem Gleisdreieck, Präsentationsfolien zur 3. Sitzung des Nutzer_innenbeirats am 26.3.2015. Online unter: https://gruen-berlin.de/projekte/parks/park-am-gleisdreieck/ Zugriff am 4.12.2020

die umweltberatung Wien (2010): Lebensraum Hecke, Wien Online unter: https://www.umweltberatung.at/download/?id=Laubheckenposter-1551-umweltberatung.pdf Zugriff am 15.12.2020

Weichselbaumer, Roswitha (2020): Konzept zur Pilotmaßnahme Windschutz- und Wildobsthecke, unveröffentlicht

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Park_am_Gleisdreieck, Zugriff am 15.12.2020

Wrbka, Elisabeth (2014): Anlage und Entwicklung von Extensivwiesen auf innerstädtischen Grünflächen am Beispiel Mariahilfergürtel, AVL, Wien

Weitere Beispiele:

Wildblumenwiese Arnulfpark, München. https://www.naturgarten.org/fileadmin/Daten%20alte%20Website/dokumente/publikationen/oeffentliches_gruen/2016_01_Graswurzelpolitik_Arnulfpark_Heuberger.pdf

Zusammenstellung weiterer Beispiele in Deutschland: https://www.naturgarten.org/service/publikationen/oeffentilches-gruen-gewerbe.html